Sprachwissenschaft,
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was in Wahrheit in alte Religion, die griechische znmal, erst spätals deren Todesleim eintrat: ein solcher Irrtum war ihm nurmöglich, weil ihm eine unbesangene Ersassung der geschichtlichenEntwickelung, eine ungefärbte und unverschobene Erkenntnis dessen,wie es eigentlich gewesen, durch Anlage uud Bildung sehr erschwert",mit einein Worte also, weil er zuviel — Romantiker war.
Schädigte aber hier die Romantik die Arbeit des Gelehrten,,solHat sie umgekehrt auf dem Gebiet der germanischen Philologienicht nur befruchtend gewirkt, sondern dieselbe als Wissenschaftdirekt begründet nnd aus sich hervorgehen lassen. Die Freude amMittelalter und die Tendenz es zu „retten" nnd zu verherrlichenführte sie wie zum Interesse an der altdeutschen Malerschuleund an der Entwickelung des deutschen Rechts so auch zumStudium der mittelalterlichen Poesie. Zum Vorgänger hattesie auch hier wieder Herder, auf das Nibelungenlied hattebesonders der Geschichtschreiber Johannes von Müller hingewiesen.Und nun griff zuerst Tieck nach den Volksbüchern und modernisiertedie Minneliedcr aus dem schwäbischeu Zeitalter; das Wichtigsteaber leistete August Wilhelm Schlegel in seinen Berliner Vor-lesungen, in denen er der mittelalterlichen Dichtung ihre Stelleanwies in dem Gesamtrahmen einer umfassenden Litteraturgeschichteund das Nibelungenlied als ein Wunderwerk der Natur und alsein erhabenes Werk der Kunst zugleich mit den Homerischen Epenin Parallele setzte; wahrhaft Prophetisch sind die Worte, in deueudiese Darlegungen ausklingen: „wenn es überhaupt noch gelingenmag, unsere Nationatmythologie zu erneuern, so können aus dieserEinen epischen Tragödie eine Menge enger beschränkte dramatischeentwickelt werden: nachdem wir lange genug in allen Weltteilenumhergeschweift, follteu wir endlich einmal anfangen, eiuheimischeDichtung zu benutzen". Unter dem Eindruck dieser Vorlesungenentschloß sich v. d. Hagen zur Herausgabe des Nibelungenliedes.
Eine zweite weiter vorgeschobene Etappe bildeten sodann dieHeidelberger Romantiker, von denen Arnim und Brentano „DesKnaben Wunderhorn", Joseph Görres „teutsche Volksbücher" Heraus-gaben. Ihnen folgten die Gebrüder Grimm mit ihrer Sammluugvon Kinder- und Hausmürcheu und deutschen Sagen. Allein bei