Wolfgcmg Menzel.
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wieder auf die klassischen Vorbilder für die bildende Knnst hin.
Und ebenso erklang in den hellsten Momenten des zweiten Faust als
der Weisheit letzter Schluß das gar nicht romantische, sondern ganz
moderne Wort:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,Der täglich sie erobern muß;
und gar nicht reaktionär, sondern eher wie ein Bekenntnis zum
Liberalismus sügt sich dem der Wunsch an: aus freiein Grund mit
sreiem Volk zu stehn.
Ebenso kommt Goethe im westöstlichen Divan in der Form der
Einkleidung dem auf Herder zurückgehenden Universalismus und
speciell sogar dem „romnutischeu Kultus des Orients", dessen beste
Frncht Fr. Schlegels „Sprache und Weisheit der Jndier" und
seines Bruders Sanskritstndien gewesen waren, weit entgegen. Allein
der Inhalt, den er in diese Formen hüllte, war die spiegelblanke
und doch unendlich tiefe Lebensweisheit uud die fröhliche, milde
und tolerante Weltanschauung eines so durch und durch freieu
Geistes, das; hier von romantischem Helldunkel uud mittelalterlicher
Gebundenheit keine Rede sein konnte. Goethe war zu gesund, um
Romnutiker zn sein, wie er denn in schneidend scharfer Absage
noch 1829 erklärt hat: „Das Klassische nenne ich das Gcsuude
und das Romantische das Kranke. Das meiste Neuere ist nicht
romantisch, weil es neu, sonderu weil es schwach, kränklich und
krank ist, und das Alte ist nicht klassisch, weil es alt, sondern weil
es stark, frisch, froh und gesund ist." Das war schon damals die
Lehre vom „Dekadenten ", aber Goethe war kein Dekadent.
Doch darum blieb er auch uicht unangefochten. Noch beiseinen Lebzeiten wurde von zwei ganz verschiedenen Seiten her derKampf gegen ihn eröffnet, von Wolfgang Menzel auf der einen'von Ludwig Börne auf der anderen Seite. Man könnte versuchtseiu, Menzel der liberalen Partei zuzurechnen, so entschieden redeteer in seiner ersten Zeit ihre Sprache, und ihn dann in seinenspäteren Jahren des Abfalls von ihr zu zeihen. Allein faktischhat er doch nie zu den modernen Verfechtern der Freiheit, zu deu