Die Hegelsche Neligionsphilosophie,
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Geistes strömen die Lethefluten, aus denen Psyche trinkt, worin sieallen Schmerz versenkt, alle Härten, Dunkelheiten der Zeit zu einemTraumbild gestaltet und zum Lichtglanz des Ewigen verklärt".Mit so vollem Ton erkennt Hegel den Wert der Religion für dasmenschliche Leben an, und auch die Bedeutung des Gefühls für dieReligion kommt in diesen einleitenden Worten nicht zu kurz.Allein ebenso energisch wahrt er aus der andern Seite dasRecht des vernünstigen Denkens innerhalb der Religion nndTheologie; denn auch die Religion ist ein Erzeugnis des gött-lichen Geistes und darum vernünftig. Deshalb polemisiert er nachverschiedenen Seiten hin: gegen den Rationalismus, der das Dog-matische beiseite setzt und auf eiu Minimum reduziert; gegen diehistorische Theologie, welche das philosophische Denken über religiöseFragen verwirft und sich auf ein gelehrtes Registrieren beschränkt,als ob es sich nm Überzeugungen anderer, um Geschichteu haudle,die nicht in unserem Geiste selbst vorgehen, nicht das Bedürfnisunseres Geistes in Anspruch nehmen; mit Komptoirbedienten einesHandelshauses vergleicht er solche Theologen, „die nur über fremdenReichtum Buch und Rechnung führen, die nur für andere handeln,ohne eigenes Vermögen zn bekommen; sie erhalten zwar Salair;ihr Verdienst ist aber nur zu dienen und zu registrieren, was dasVermögen anderer ist oder war". Und endlich wendet er sich auch gegenSchleiermacher nnd seine Gefühlstheorie: daß ein Inhalt im Gefühlist, macht für diesen Inhalt selbst nichts Vortreffliches aus; aufdemselben Boden sproßt die königlichste Blume neben dem wncherndstenUnkraut; und ebensowenig hängt die Existenz dieses Inhalts davonab, ob er im Gefühl ist; denu auch Eingebildetes, das nie existierthat und nie existieren wird, ist darin; nnd endlich reißt mit demAppellieren an das eigene Gesühl die Gemeinschast nnter uns ab,nur auf dem Boden des Gedankens uud des Begriffs sind wir aufdem Boden des Allgemeinen nnd der Vernünftigkeit, zum Gesühlübergehend verlassen wir ihn und ziehen uns zurück iu die Sphäreunserer Zufälligkeit. Wenn er aber das Gefühl als „die tierisch-sinnliche Form" für das schlechteste Gesäß erklärt, in den der Inhaltder Religion gegossen werden könne, und Schleiermacher gegenübermeint, wenn Religion schlechthiniges Abhängigkeitsgefühl wäre, so