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1830 bis 1848: Die religiöse Bewegung.
für mythisch erklärt wurden, von denen das Christentum selbst —man braucht ja nur die Bedeutung des Glaubens an seine Aufer-stehung zu nennen -— abzuhängen schien. So war der Angriffunerhört umfassend und unerhört central zugleich.
Strauß selbst rühmt sich in der Vorrede der inneren Be-sreiung seines Gemütes und Denkens von gewissen religiösen unddogmatischen Boraussetzungen: „mögen die Theologen diese Vor-anssetznngslosigkeit unchristlich finden, er findet die gläubigenBoraussetzungen ihrer Werke unwissenschaftlich". Und doch mußteauch er eine Voraussetzung machen, das erste und das vierteEvangelium durften nicht von Augenzeugen, also nicht vonMatthäus uud Johannes verfaßt sein: der dichtenden Gemeindemnßte Zeit gelassen, das Bild, das sie mit ihren Sagen umWebensollte, mußte in eine die Konturen verwischende Zeitenferne gerücktwerden. Hier lag nun freilich die Schwäche der damaligenStranß'schen Position: es sehlte ihr die seste Basis einer inseinzelne gehenden Quellennntersuchuug, und so konnte Straußselber in der dritten Auflage schwankend werden zu gunsteu derEchtheit des Johannesevangeliums, und konnten seine Resultate alswillkürliche und gewaltsame von den Gegnern zurückgewieseu werden.Diese Lücke ergänzte dann die Tübinger Schule unter BaursFührung nachträglich und — fügen wir gleich hinzu — dochwesentlich im Anschluß an Strauß, der ihr das Problem gestellt hatte:uud sie hat seiue Resultate iu der Hauptsache durchaus bestätigt,den Angriff sogar noch erheblich verschürft und wuchtiger gemacht.Durch das klassische Werk von Baur „Kritische Untersuchungenüber die kanonischen Evangelien" war namentlich „das Gespenstdes angeblichen Johannes" für alle Zeiten gebannt nnd in derUnterscheidung judenchristlicher nnd heidcnchristlicher Elemente inder ältesten christlichen Gemeinde der Schlüssel gefunden zum Ver-ständnis der Gestaltung ihrer frühesten Urkunden. Und wenn davonauch heute im einzelnen manches überholt uud umgestaltet ist, imgroßen baut die wissenschastliche Theologie bis zur Stunde noch immermit diesen Bausteinen und auf dem von Baur gelegten sicherenGrunde. Damals aber war das Interesse am Inhalt zunächst nochgrößer als an den Berichterstattern, am Leben Jesu größer als