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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1830 bis 1848: Die religiöse Bewegung.

der Hcgelschen ReligiouSphilosophie zu sein schien, eine immerstärkere und kühnere Sprache, so daß es bei den damaligen Preß-zuständen kein Wuuder war, weuu er der Censnr und Polizeiweichen, die Jahrbücher erst aus Preußeu wegverlegeu uud schließlichDeutschland verlassen und nach Paris ins Exil gehen mußte. Somachte man dann freilich den deutschen Liberalismus mit Gewaltfremdbürgerlich uud undeutsch.

Ludwig Feuerbach .

Radikaler als Strauß war Ludwig Feuerbach , schon deswegen,weil er Philosoph und nicht wie jener Theologe war. Sein BuchvomWesen des Christentums" erschien 1841, ein neues Skaudalou,das sachlich noch weit über das Leben Jesu hiuausgiug, aber dochnicht dasselbe Aussehen machte oder dieselbe Verbreitung fand wiedieses. Man hatte inzwischen doch etwas ertragen gelernt, und sowar der Sturm nicht mehr so groß und die Wirkuug auch darumnicht so ausgebreitet, weil das Werk ein philosophisches, also dochmehr esoterisches war. Allein trotzdem auch daS ein Buch, das bisin die Gegenwart herein, seit etlichen Jahren sogar wieder rechtlebendig in dieselbe hereinwirkt. Auch Feuerbach hatte erst Theo-logie studiert, sich dann Hegel zugewendet und war dabei auf dieAnthropologie geführt worden, oder wie er selbst sagt:Gott warmein erster Gedanke, die Vernunft mein zweiter, der Mensch meindritter und letzter Gedanke." Auch er geht vom Gegensatz zwischenGlauben und Wissen aus und erklärt es für eine geradezuwelt-historische Heuchelei", daß wir trotz des offenkundigeil Widerspruchsunserer Religion mit den wissenschaftlichen, politischen, socialen, kurzgeistigen nnd materiellen Interessen an ihr festhalten; diesen Wider-spruch, diesen Zustand welthistorischer Heuchelei hat die HegelschePhilosophie nieder entlarvt noch überwunden, aus sie kann sich' ebensogut die Orthodoxie als die Heterodoxie stützen. Und daShängt damit zusammen, daß Hegel nicht in das eigentümliche Wesender Religion eingedrungen ist; darin war ihm Schleiermacher über-legen, der die Religion zu einer Gefühlssache machte, aber freilichaus theologischer Besaugeuheit uicht dazu kam und kommen konnte,die notwendigen Konsequenzen seines Standpunkts zu ziehen und