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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1830 bis 1848: Friedrich Wilhelm IV.

Stellen in Kirche und Schnle und die theologischen und philo-sophischen Professuren an den Universitäten besetzten und dieHegelianer, denen der König eine besonders starke Abneigung ent-gegenbrachte, alsStaats- und Kirchenverwüster" nach Kräftenbeseitigten. Wie es aber auch sachlich gemeint war, zeigten dieaus dem Knltusministerium selbst stammenden Angriffe aus die bis-herige Verwaltung des höheren Schulwesens und denungläubigen"Geist der Philologen an den Gymnasien. Dadurch ermutigt wagtensich dann auch jeue Dunkelmänner hervor, welche an den griechischenund römischen Klassikern als Heiden! Anstoß nahmen undchristliche Autoren sür die Schnllektüre vorschlugen und sorderten.1846 ärgerte sich der König über die 100jahrige Feier Pestalozzis ,weil ihm hier das Bildungsstreben des Lehrerstandes und ihrStolz auf das bereits Erreichte besonders lebhaft entgegentrat; derverdiente Seminardirektor Diesterweg, dem er sein Mißfallen darüberaussprach, wurde 1847 als Führer dieses emporstrebenden Standesseines Amtes entsetzt.

Während so der fortschreitenden Bildung gewehrt wurde, lagdagegen dem in romantisch-katholisierender Schwärmerei luxurierendenKönig eine reine Spielerei, die Gründung eines angloprenßischenBistums in Jerusalem am Herzen. Beruhten schon die Kreuzzügedes Mittelalters auf einer großen weltgeschichtlichen Illusion, sowar im neunzehnten Jahrhundert ein solches Hinblicken aufJerusalem und °die künstliche Stiftung dort ein thörichter Ana-chronismus und eine arge Donauixoterie und setzte ihn gerechtemSpott ans, um so mehr als er dabei durch seine Vorliebe fürEngland und das Ungeschick in den Verhandlungen über das Kon-dominium mit demselben auch das nationale Empfinden verletzte.

Und wenn es weiterhin nur zu loben war, daß er den derUnion feindlich gebliebenen nnd unter seinem Vorgänger schließlichgar zu Märtyrern gemachten Altlutherauern etwa 50 000 ander Zahl Duldung gewährte, so war das treibende Motiv da-für bei ihn: doch keineswegs die in preußischer Tradition begründeteToleranz nach dem Friedericianischen Worte, daß im preußischenStaat jeder nach seiner Fa^on selig werden dürfe, auch uicht etwa eineihm von Natnr innewohnende und durch seine Studien genährte