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auch sein Pricstergewand ab, Ronge stellte sich als „deutsch -katholischer" Priester der römisch-katholischen Kirche entgegen undCzerski nannte seine Gemeinde „christkatholisch ". Schon 1845konnte in Leipzig das erste deutschkatholische Konzil abgehaltenwerden, auf dem sich Robert Blnm als seuriger Redner und lanterAgitator erstmals in weiteren Kreisen hervorthat. Die Zahl derGemeinden wuchs rasch auf 170, später auf 200, die der Anhängerauf 60—70000, worunter allerdings auch Protestanten waren.Nonge selbst war von diesem Erfolg seiner Sache berauscht, 1845schrieb er: „Ha, mich schauert's, daß wir schon so nahe dran; dochjetzt ist's vorüber. Der große Wnrf ist gelungen, der Fortschrittdes Jahrhunderts ist gerettet; der Genius Deutschlands greist schonnach dem Lorbeerkranz. Und Rom muß fallen." Aber auch ruhigeund besonnene Männer wie Karl Mathy und Gervinus warenvoll Enthusiasmus uud Vertrauen: der erstere hoffte, mit Auerbach „einmal iu der freien deutschen Kirche zusammen zn treffen", nach-dem nun „Spinoza in Deutschland gesiegt", uud Gerviuus, der inFlugschriften sür die Bewegung eintrat, meinte, daß sie „die katholischeund Protestantische Kirche in Deutschland absolvieren und sich zneiner großen deutschen Nationalreligion gestalten" werde.
Allein Triumph uud Hossnnng waren trügerisch. Die katholischeKirche war doch längst wieder fest gefügt, die Hierarchie das ge-horsame Werkzeug des Papstes und das bißchen Martyrium amRhein und in Posen ein willkommener Kitt znm Zusammenhalt deretwa auseinanderstrebcnden Geister. Daß sich keiu Bischos der Be-wegung anschloß, machte sie von vorn herein aussichtslos, ähnlichwie die Sache der Altkatholiken 25 Jahre später daran gescheitertist. Vor allem aber, die Nonge und Czerski waren keine Refor-matoren. Die Eitelkeit und das rhetorische Pathos überwog bei demersteren die sittliche Kraft, die allein das Recht giebt zn einem der-artigen Bruch nnd die Gewähr giebt für das erfolgreiche Begründeneines Neuen; nnd es fehlte die Klarheit über Ziel und Mittel, die Einsichtin die Schwere des Kampfes und in die Verpflichtung, die er den Führernauferlegte; bei Brateu lind Champagner macht man keine neue Religion.
Und bald kamen auch innere Schwierigkeiten, über das Glaubens-bekenntnis der ueueu Religionsgenieiuschast kouute mau sich uicht