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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Der Deutschkatholizismus.

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einigen. Hatte man in Leipzig noch mühselig eine leidlich positiveFormel zusammengebracht, so war diese rasch vielen, die weitergehen wollten, zu konservativ, und es stellte sich immer mehr heraus,daß sich der Deutschkatholizismus nicht etwa auf der Linie zwischenKatholizismus und Protestantismus bewegen wollte, sondern nochüber den letzteren weit nach links hinausging und sich hier mitden extremsten und radikalsten Parteien und Richtungen innerhalbdes Protestautismus zusammenfand. Von der Hegelschen Linkenwar es Arnold Rüge, der denneuen Luther" auf seinem Trinmph-zug uach Süddentschland begleitete; und da eben jetztdie Licht-sreuude" durch Heugsteubcrg und seine Anhänger immer mehr vonder Kirche abgedrängt und schließlich so wackere Männer wie Uhlich,Wisliccnus nnd Rupp ans ihr hinansgemaßregelt wurden, so be-gegneten auch sie sich mit den Dentschkatholiken auf ihreu radikalenPfaden; die Vorläufer der heutigen Gesellschaft für ethische Kultur,welche nur ehrlicher als diese den Kampf gegen die Kirche aus-drücklich ans ihre Fahne schrieben, schlössen sich ebenfalls an. DieRegierungen, vor allem die Friedrich Wilhelms IV. standen dieserganzen Bewegung zunächst natürlich nur hemmend nnd verbietendgegenüber; schließlich aber mußte doch in Preußen durch dasReligionspatent vom 30. März 1847 den Dissidenten etwas wieDuldung gewährt und ihre staudesamtlichen Beziehungen rechtlichgeregelt werden. Der eigentliche Zweck war freilich ein ganz anderer,nicht ihnen durch Bewilligung des Rechts zur Gemeiudebilduug denAustritt aus der Kirche zu ermöglichen, sondern uingekehrt dieKirche von ihnen wie von rändigen Schafen zu befreien,den Blnt-reinigungsprozeß der Kirche zu fördern". Nicht zum wenigstendadurch tauchte dann das religiöse Element der Bewegung iu denpolitischen Wogeu des Jahres 1848 fast ganz unter, nur kümmer-liche Reste dieser deutschkatholischen nnd freien Gemeinden habensich in unsere Gegenwart herüber gerettet und stehen jetzt der Ge-sellschaft für ethische Kultur näher als irgend einer Kirche odereinen: positiven Bekenntnis. An die Stelle des religiös Freien istdas Ethische getreten, Schwuug und Begeisterung sind verflöge»,eine gewisse Nüchteruheit uud Kahlhcit ist sür sie alle charakteristisch.Schau darum versagt ihnen heute jede Kraft zur Propaganda.