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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Friedrich Wilhelm IV. und die Kunst.

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die Bestimmung einer christlichen Kirche erwog. Dagegen sahFriedrich Wilhelm IV. in dem Wiederaufbau des Köluer Domesein Zeichen sür das Wiedererstehen und -erstarken mittelalterlicherFrömmigkeit uud katholischer Kirchenherrlichkeit. Wir modernenMenschen halten es mit Goethe und Uhland, erblicken darin vollreiner ästhetischer Freude das Meisterwerk eines Banstils, dessenWert allerdings nicht in seinem speeifisch deutschen Charakter, son-dern in seiner eigentümlichen Schönheit zu suchen ist nnd dessenBeziehung zur Religion des Mittelalters wir historisch verstehenund gutheißen. Deshalb wird es uns heute auch nicht ganz leichtzu begreisen, daß von liberaler Seite her diesem UnternehmenMißtrauen oder gar Hohn entgegengebracht und dabei auch diedeutscheu Aecorde überhört wurden, welche der König bei der fest-lichen Grundsteinlegung voll und warm anschlug und denen dannauch aus Bayern herüber von demteutsch" gesiuuten Köuig Ludwigein volles Echo antwortete. Aber auch diesem ergiug es uicht vielbesser mit seiner in griechischem Stil erbauten Walhalla , in derdoch unter den großen Deutschen aus Furcht vor deu Ultramon-tanen Luther und Melanchthon keine Stelle finden konnten. Daseben war der Fluch jener Jahre, daß auch das Schöne und Große,was diese beiden Monarchen planten und thaten, unter ihren Händenden Parteistempel einer überlebten romantischen Richtung oder einerimmer stärker sich aecentuierenden konfessionellen Ausschließlichstund Absichtlichkeit erhielt und darum weder mit Dank noch mitFrendc hingenommen und genossen werden tonnte. Wenn sichdaher Bretschneider, der alte Rationalist, Strauß, der theologischeKritiker und Heine, der geistreiche Antiromantiker, in der Abneigungund im Mißtrauen gegen den Kölner Dombau zusammenfanden,so ist das für jene Tage doch ein recht charakteristisches Symptomund nicht etwa nur der Ansfluß eines unberechtigten nnd thörich-ten,geradezu persönlichen Hasses", wie nns Treitschke glaubenmachen ;nöchte. Das Wort von Stranß, daß hier in ungesunderFrömmelei und Knnstspielerei vollendet werden solle, was dereinstin frommem Ernst begonnen worden, traf schließlich doch nichtsoweit neben das Ziel; und ist denn nicht thatsächlich diese von

einem protestantischen Fürsten ins Werk gesetzte Wiedererneuerung

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