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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Der König und die Wissenschaft, Schilling,

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Dem König aber war schon jenes methodische Widerlegen undWidersprechen zn pedantisch, versprach auch keine sofortigen Erfolge.Daher sah er sich nach einem zugkräftigeren Gegner um, und denglaubte er in Schelling zu finden.

Die Hegelsche Philosophie war von Schelling ausgegangen,einen Augenblick hatten die beiden Jugendfreunde zusammenphilosophiert, als waren sie nur einer. Aber Hegel hatte mitSchelling gebrochen, uud erst mit stillem, später anch mit laut sichäußerndem Neide hatte dieser zugesehen, wie ihn der weit wenigergeniale, aber viel gelehrtere und methodischere, viel tiefgründigereund systematischere Freund überholte. In seiueu Vorlesungen ander dnrch König Lndwig 1826 nengegründeten Münchner Universität,deren glänzendste Zierde er war, polemisierte er deshalb mitaffektierter Geringschätzung gegen Hegel nnd nannte seine Philosophieeine traurige Episode in der Geschichte der neueren Philosophie;was an ihr wahr nnd gut sei, habe Hegel ihm gestohlen. In einervielbemerkten Vorrede zu einem Buche vou Cousiu, dem französischenEklektiker, der für Schelling nnd Hegel zugleich schwärmte, spracher sich 1833 auch öffentlich gegen diesenneuen Wolfianismus"aus, deran die Stelle des Lebendigen nnd Wirklichen den logischenBegriff setze", einevon dürftigen Köpfen wie billig bewunderteErfindung". Die ganze Sache wuchs sich zu einer Art von <ZÄU8eeÄkdre aus, der Heine durch seinen Witz über Schellings wenigwürdiges Benehmen noch besondere Notorietät verlieh. In seinerSchrist über die romantische Schule schrieb dieser lose Spötter:Herr Schelling war zu Anfang des Jahrhunderts ein großerMann. Unterdessen aber erschien Hegel ans dem^j philosophischenSchauplatz; Herr Schelling , welcher in den letzten Zeiten fast nichtsschrieb, wurde verdunkelt, ja er geriet in Vergesseuheit und behieltnur noch eine litterarhistvrische Bedeutung. Die Hegelsche Philo-sophie war die herrschende, Hegel ward Souverain im Reiche derGeister, und der arme Schelling, ein hernntergekommeuer, mediatisierterPhilosoph, wandelt trübselig nncher unter den andern mediatisiertenHerren zu München . Da sah ich ihn einst und Hütte schier Thränenvergießen können über den jammervollen Anblick. Und was ersprach, war noch das Allerjämmerlichste, es war ein neidisches