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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1830 biS 1848: Friedrich Wilhelm IV.

denen sich Gott selbst entwickeln soll durch die Mythologie hindurchzur Offenbarung: im Christentum siudet diese ihre Vollendung,das Christentum selber aber in der endgültigen Vereinigung vonGlauben uud Wissen, in einer wahrhaft philosophischen Religion,die freilich so, wie Schelling sie ausführt, weder kirchlich-orthodox uochwahrhaft philosophisch war und darum keinen Teil befriedigte. Unddas Schlimmste dabei war, daß er, der doch beruseu war dieDracheusaat des Hegelschen Pantheismus zu zertreten, es hochmütigablehnte, sich mit deu kritischen und religionsphilvsophischen Werkenvon Strauß, Baur und Fencrbach auseinanderzusetzen, souderukategorisch erklärte:nicht die in manchem Betracht zusälligeu Er-zählungen des Neuen Testaments sind notwendig, um die HoheitChristi zu erkeuueu, sondern umgekehrt die Hoheit Christi mitallen den Bestimmungen, die wir ihr gegeben (!) ist notwendig,um diese Erzählungen, um die Evangelien zu begrciseu. Das mögendie wohl bedenken, welche noch mit der mythischen Erklärung etwasausrichten zu können meinen, die höchstens gegenüber der Klein-gläubigkeit und Kleinmütigkeit mancher Theologen noch etwasbedeuten kaun!" Und schlimm war auch, daß er dabei die Religions-wissenschaft mit allerlei spekulativen Konstruktionen und Willkürlich-keiten belastet hat, an deucn sie lange genug zu leiden hatte.Gnostisch gedacht aber ist endlich dieser ganze Entwickelungsgang,weun er aus einer menschlichen Geschichte zu einer überweltlichenTheogonie und Christogonie gemacht und damit allerHinterwelt-lichkeit" Thür und Thor geöffnet und doch wieder nur Dichtungund Mythologie an die Stelle von Wissenschaft gesetzt wird.

Dennoch können wir henke historisch unbefangen das Bedeut-same dieser spätesten Periode des Schellingschen Philosophierensverstehen nnd anerkennen: sie verhält sich zn unserer heutigen Religions-wissenschaft etwa ebenso wie seine Naturphilosophie zur exakten Natur-'fvrschuug unserer Tage. Die Zeitgenossen aber sahen darin mit Not-wendigkeit nur eiuen Ausfluß mittelalterlicher oder gar katholisieren-der Teudeuzeu im Dienste des romantischen Königs. Daraus erklärtsich die Leidenschaftlichkeit des Streits, daraus aber auch zum Teilder tiefe Sturz der Philosophie überhaupt, die nuu nach der Selbst-auflösuug und dem Nuseinandersnllen der Hegelschen Schule in