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der 1823 die Erwartung der Schleswig-Holsteiner, daß „in deutschen Landen ein Zufluchtsort für uuterdrücktc Gerechtigkeit zu finden"fei, schmählich getäuscht und ihren Beschwerden „mangelnde Kom-petenz" als alles lähmendes Medusenhaupt entgegengehalten hatte,konnte sich diesmal dem Druck der öffentlichen Meinung uichtentziehen, sondern mußte weuigstens in der Sache gegen den KönigStellung nehmen und die Rechte der Agnaten und der holsteiuschenLandesvertretung wahren. Dem Volk freilich war der Bundes-beschluß in der Form zu zahm und zu höflich, uud fo gingennamentlich an den deutschen Hochschulen die Wogen darüber dochrecht hoch.
Hier waren die Wortführer jedoch nicht mehr die Studentenwie dreißig Jahre vorher, sondern die durch die mntige That derGöttinger Sieben mächtig gehobene Professorenschaft. Daß siebendeutsche Professoren, Gelehrte ersten Ranges es wagten, dem Ver-fassungsbruch des neuen Königs Ernst August von Hannover ent-gegenzutreten und ihm zu sagen, daß sie nicht als Männer er-scheinen wollen, „die mit Eiden ein leichtfertiges Spiel treiben",und lieber Absetzung und Ausweisung als Unterwerfung auf sichnahmen, hatte durch ganz Deutschland ein jubelndes Echo gesundenund eine weit über die Personen hinausreichende moralische Be-deutung gewonnen. Am Mauncsmnt hochstehender, freigesinnter Uni-versitätslehrer fand fürstlicher Absolutismus und gewalthaberischeWillkür also doch ihre Schränke, und darum ließ sich das Volk uichtmehr auf den „beschränkten Unterthanenverstand" nnd den still-schweigendem Uuterthaueugehorsam verweisen nnd trat mit Adressenund Geldsammlungen auf die Seite der Tapferen. Vielleicht darfman mit dem Auflohen der öffentlichen Meinung bei solchen An-lässen auch die opferwillige Initiative in Znsammenhang bringen,aus der heraus das deutsche Volk wenige Jahre nachher beimgroßen Brand von Hamburg von allen Seiten Hilfe leisten wollte.
Den Professoren aber kam durch jenen Vorgang der GöttingerSieben das Günstige ihrer unabhängigen Stellung erstmals rechtzum Bewußtsein, und so ließen sie hiusort keine Gelegenheit vorüber-gehen, bei der nationale Gesinnung gepflegt werden und vor der weithinaufhorchenden Bevölkerung laut und vernehmlich zum Worte kommen