Erwachen des RationalgesülM.
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und des Allgemeinen aufzudecken, die angeborene Gestaltungskraftund Lebhaftigkeit des Ausdrucks". Schon in seinem ersten Buch,den „Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494bis 1535" und dann weiterhin immer entschiedener machte er esder Geschichte zur Aufgabe, „bloß zu sagen, wie es eigentlichgewesen", und mit einer ästhetischen Freude schaute er ohne zurichten deu historischen Erscheinungen zu, wie sie ihr eigeutümlichesWesen entfalteten. Nur zuweileu wies er hiu auf „die HandGottes über den Menschen"; und unter dem Einfluß der roman-tischen Lehre vom unbewußten Schaffen der Volksseele in dengeschichtlichen Erscheinuugeu, aber auch von Hegels geschichtsphilo-sophischen Anschauungen berührt, suchte er immer mehr iu dietiefsten Geheimnisse der Begebenheiten einzudringen und zu entdecken,wohiu in jedem Zeitalter das Menschengeschlecht sich gewandt unddie letzten Quellen des Werdens, Wachsens nnd Vergehens zn er-kennen. Sybel, dem wir diese Schilderung entnehmen, macht aber auchauf die Wandlung aufmerksam, welche Raukcs Auschauuugeu hierüberallmählich erfahren, wie „der Reiz der individuellen Erscheinung vordem Zuge der weltgeschichtlichen Gesamtentwickelung zurückgetreten, dieBedeutung des Individuums dem Zuge der allgemeinen Ideen unter-geordnet" und so die herrschenden Gedanken und leitenden Ideenund großen Tendenzen ihm immer mehr zur Hauptsache gewordenseien, wobei freilich, nach Wundts richtiger Bemerkung, über dieArt, wie er sich diese kämpfenden Kräfte wirksam dachte, eine ge-wisse Unklarheit zurückbleibt. Aber weun wir auch absehen vonden späteren Schriften, vor allem von der Weltgeschichte, in derinfolge dieser Wandlung des Gedankeus Blässe und Unauschaulich-keit der Kunst doch erheblichen Eintrag that, so will uns Nicht-Historikern vielleicht mehr noch als dem Historiker von Anfang anschon jene vornehme Leidenschaftslosigkeit und Gegenständlichkeitnicht ganz frei von Absicht und Tendenz erscheinen. Auch ohuefeine „historisch-politische Zeitschrift" von 1832—1836 spürt manihm von Anfang an eine gewisse konservative Parteinahme sür dasBestehende und Mächtige au, alles Radikale ist ihm zuwider, erist durch uud durch Noyalist, und die ästhetische Betrachtungsweiseschwächt den Ernst der weltgeschichtlichen Kämpfe ab und macht