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daraus ein Spiel, wäre es auch das vornehme und erhabene Spielvon Ideen oder göttlichen Gedanken mit menschlichem Schicksal.Und so war und ist der Einfluß, den Ranke auf die weiten Kreiseder Gebildeten hatte, weit kleiner, als sich das die Historiker vor-zustellen Pflegen, die den unvergleichlichen Lehrer und das weithinverehrte Schulhaupt mit dem wirksamen Schriftsteller verwechseln.Der Straußsche Briefwechsel mit seinen Urteilen über die „höllischnoble Art dieses lyrischen Geschichtschreibers" giebt diesem unseremLaien-Unbehagen mehrfach den zutreffenden Ausdruck; und selbstTreitschke meint: „von dem Leben der Masse des Volks erfährtman bei Ranke zu wenig: man bewegt sich immer unter vornehmenLeuten; die tierischen Leidenschaften der Menschen kann er nichtdarstelleil. Das ist aber doch da und ist im Leben der Völker einrecht Wesentliches". Und so war doch nur aus romantische Gemütersein Einfluß auch über die Schule und die Zunft hinaus ganzgroß: am Hofe Friedrich Wilhelms IV. war er weit besser alsAlexander von Humboldt an seinem Platze, und der Freiherr vonManteuffel hat sich als Statthalter vou Elsaß-Lothringen nicht beidem ehrlichen Baumgarten in Straßburg , sondern bei seinem FreundRanke in Berlin die Direktive geholt sür sein anachronistisch ver-fehltes, weil durch und durch romantisches Regierungssystem.
Deshalb konnte es auch geschehen, daß man in einer nns heutefreilich unbegreiflichen Weise Schlosser mit Ranke zusammen- unddie Subjektivität des ersteren seiner Objektivität gleichwertig gegenüber-stellte. Natürlich kommt Schlosser als Historiker Ranke gegenübergar nicht in Betracht, war er doch erfüllt von jenem „unhistorischen"Sinn des achtzehnten Jahrhunderts, der gerade für das Eigenartigeund Individuelle einer Zeit kein Auge, kein Verständnis, keine Duld-samkeit besaß; er maß die Diuge mit seinem, also mit einemihnen selber fremden Maßstab. Dieser Maßstab aber war nicht derästhetische, wie bei Ranke, sondern der moralische. Auch darin zeigtsich die Art des von Moral triefenden achtzehnten Jahrhunderts, aberdaneben anch etwas vom kategorischen Imperativ Kants , der hier rück-sichtslos auf die Politik und ihre Träger angewendet wurde. Sowurde Schlosser zum strengen und unerbittlichen Richter aller Zeiten,ein historischer (.'ato Censorius. So ungerecht aber vielfach seine