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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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287
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Neformbewegungen in Kirche und Schule. 287

loren. Die eben erworbene Preßfreiheit kam der ganzen geistigenProduktion zu gute, der Kampf um Gedanken- und Redefreiheithatte doch nicht bloß den politischen Ideen gegolten. Mit denmißliebigen, vormürzlichen Ministerien fielen auch die Kultus- undUnterrichtsminister, so in Prenßen Eichhorn. Wie überall, so riefman auch auf dem Gebiete der Kirche und Schule nach Freiheitund Selbständigkeit, verlangte auch sür die geistigen InteressenLicht und Raum, Beseitigung alter Zöpfe und Einführung vonReformen. Aber es war auch hier wie iu der Politik einFrühliugssturm, der uoch einmal vorüberging, um einer neuenPeriode der Reaktion Platz zu machen. Und so isr von wirk-lichen Änderungen und Fortschritten nicht viel zu berichten. Auchdie Nationalversammlnng hatte ihre ausgedehnte Kirchen- undSchuldebatte, und wenigstens für Schulangclegenheiten und Volks-crziehung wurde ein besonderer Ausschuß und in diesem wiedereine Sektion sür die Volksschulen eingesetzt, dagegen wurde derbeantragte Ausschuß für Neligionsangelegenheiten abgelehnt. Schließ-lich kam es nach besonders erregten und langwierigen Debattendoch nur zu den in Artikel 5 und 6 der Grundrechte so formnliertenBestimmungen über kirchlich-religiöse und Schulangelegenheiten:

§ 14. Jeder Deutsche hat volle Glaubens- und Gewissens-freiheit.

Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.

Z 15. Jeder Deutsche ist unbeschrankt in der gemeinsamenhäuslichen und öffentlichen Übung feiner Religion.

Verbrechen uud Vergehen, welche bei Ausübung dieser Frei-heit begangen werden, sind nach dem Gesetze zu bestrafen.

§ 16. Durch das religiöse Bekenntnis wird der Genuß derbürgerlichen nnd staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt noch be-schränkt. Den staatsbürgerlichen Pflichten darf dasselbe keinenAbbruch thun.

§ 17. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihreAngelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staats-gesetzen unterworfen.

Keine Religionsgemeinschaft genießt vor anderen Vorrechtedurch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche.