Die Kirche im Dienste der Reaktion,
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Die Kirche im Dienste der Reaktion.
Ganz besonders widerlich aber waren die Bütteldienste, welchedie protestantische Kirche d. h. der in ihr immer mehr zur Herr-schast gelangende Konfessionalismus und der mit der Lrthodoxiesich verbindende Pietismus der Reaktion in den füusziger Jahrengeleistet hat. In Stuttgart hatten sich gleich beim Ausbrnch derrevolutionären Bewegung die Pietisten als die Anhänger des Altenausgespielt und den König gebeten, von den geplanten und durchdas liberale Ministerium Römer vertretenen Neuerungen Abstandzn nehmen: freilich mochte ihnen Paul Pfizer als Chef des Kultus-ministeriums besonders unerwünscht sein. In Ludwigsburg unter-lag D. Fr. Strauß bei der Wahl zum Frankfurter Parlament seinempietistischen Gegner Hofsmann, der ausdrücklich erklärte, daß er„die Zustände, die gekommen seien, nicht gewünscht" habe. Undim Norden waren es natürlich die um Hengstenberg, welche fürihren Einflnß auf Köuig und Staat bangten und die Revolutioniu apokalyptischen Bildern als Teufelswerk zu beschwöreu suchten.Diese Haltung während der Revolution empsahl die kirchlichenKreise nachher als deren Bündiger und als die Verbündeten desThrones und der Reaktion; nnd wenn dabei so geschickt intriguiertund operiert wurde wie in Berlin von dem Hofprediger FriedrichWilhelms IV., dem Schwaben Hoffmann, oder in Stuttgart vondem Prälateu Kapfs, so konnte Einfluß uud Erfolg nicht aus-bleiben. Namentlich benützten diese Kreise die innere Mission fürihre Parteizwecke. Sie fand in den üblen Miß- und Notjahrenvon uud 1854 ein überaus reiches Feld für ihre Thätigkeit
vor uud hat vielfach der Not gesteuert und der Armut geholfen:aber sie that es jetzt immer entschiedener in kirchlich-pietistischemParteiinteresse, indem sie das biblische Wort, daß man das Gute„allermeist des Glaubens Genossen" thun solle, nur zu wörtlichbefolgte, und brachte sich damit doch vielsach um Segeu und Kredit.Bis tief herein in die achtziger Jahre suchte sie bei ihren: Thunzugleich auch parteipolitische Ziele zu sörderu, und so hat sie esanders Gesinnten recht schwer gemacht, ihr Wirken gerecht zu be-urteilen und Hand in Hand mit ihr sociale Aufgaben zu erfüllen.