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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Materialistische Tendenzen.

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tignng und Notwendigkeit des deutschen Zollvereins immer mehranerkannt; nnd wenn sich über Schutzzoll oder Freihandel Südund Nord anch gelegentlich veruneinigten, zu der wiederholt drohen-den Sprengung des Vereins kam es doch nicht, die materiellenInteressen zwangen auf diesem Gebiete das Zusammenhalten unddie Einheit förmlich auf; und was politisch fast ebenso wichtigwar anch das Draußen bleiben von Österreich mit seinen teil-weise ganz andersartigen und nndeutschen Bedürfnissen nnd Inter-essen blieb uach wie vor notwendig. Deshalb zeigte sich auchPreußen den Versuchen Österreichs gegenüber, sich einzudrängenund au die Spitze zu treten, durchaus fest. In den sünfzigerJahren gelang ihm sogar die Ausdehnung des Vereins auf deu letzten noch nicht angeschlossenen Teil desreinen" Deutschland ,den Souderverbaud des sogenannten Steuervereins, an dessenSpitze Hannover stand. Mathys Lehre, daß an die Zolleinheitsich auch die nationale Einigung anschließen müsie, schien frei-lich vergessen, hinter den materiellen traten die politische!? undnationalen Interessen und Fragen völlig in den Hintergrund.Politisch Lied, ein garstig Lied! war wieder einmal die Losungder Zeit.

Diese einseitige Betonung der materiell-wirtschaftlichen Seitedes deutschen Lebens und sich Bethätigend aus die die Regierungenin reaktionärer Absicht planvoll nnd künstlich hinarbeiteten dasVolk sollte sich materiell behaglich fühlen nnd darüber die ideologischenWünsche uud Klagen vergessen! begünstigte naturgemäß dasAufkommen und siegreiche Vordringen der materialistischen Welt-uud Lebensanschauung. Und so tragen an der Ausbreitung undErstarkuug des verpönten Materialismus dieselben reaktionärenMächte, Parteien nnd Tendenzen die Hauptschuld, welche amlautesteu über ihn klagten nnd ihn von Staats wegen versehmtenund verfolgten. Nnd auch die offieiellen Staats- nnd Landes-kirchen, denen iu jenen Tagen die causa viotrix allzusehr gefiel,richteten uicht nur nichts gegen ihn aus, weil sie deu Geist nichtaufkommen ließen nnd darum selbst immer mehr der kläglichstenGeistlosigkeit, einem handfest materialistischen Dogmcnglauben ver-fielen, sondern durch ihren weitgehenden Byzantinismus arbeiteten