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1848 bis 1871: Die Reaktion der fünfziger Jahre.
der Sprung. Könnte nicht mein Leib allein Wille und Vorstellungzugleich, alle übrigen Körper aber nur Vorstellung sein? Dasbehauptet der „theoretische Egoismus" oder, wie wir sagen, derSolipsismus, der zwar, nach Schopenhauer , durch Beweise nimmer-luehr zu widerlegen ist, aber als ernstliche Überzeugung allein imTollhans gesundeil werden könnte. Er dagegen nimmt ohne weiteresan, daß alle Objekte nach Analogie unseres Leibes beurteilt werdenmüssen, daß also die ganze Körperwelt ihrem innern Wesen nachdasselbe sein müsse wie das, was wir in uns Wille heißen. Allesist Wille, das Ansich aller Erscheinungen, das Ding an sich istWille. Durch kühne nnd gewagte Analogieschlüsse, die an die Macht-sprüche und vagen Analogien der Schellingschen Naturphilosophieerinnern uud ihre Herkunft aus dieser deutlich erkenueu lassen,wird das ans Tiere und Pflanzen, ja selbst ans die anorganischeNatur angewendet und überall das Walten des Willens erkannt,wie er in dem Drang, mit dem die Gewässer der Tiefe zueilen, iuder Beharrlichkeit, mit der der Magnet sich immer wieder zumNordpol wendet, in der Regelmäßigkeit bei der Bildung der Krystalle,in der chemischen Wahlverwandtschaft dumpf zwar und blind, dochimmer noch zu erkennen ist, wie die erste Morgendämmerung mitden Strahlen des vollen Mittags den Namen des Sonnenlichtsteilt. Und nun kommt sogar ein materialistischer Einschlag indiesem scheinbar so durchaus idealistische!? System. Mit Schelling ist auch ihm die ganze Natur ein sich von nnten nach oben immermehr vervollkommnendes Stnsenreich, auf dessen Höhe der Menschmit seinem gegliederten Gehirne steht; und mit diesem Hilfsmittelist aus einmal die Welt als Vorstellung wieder da, denn dieFunktion des Gehirns ist der Intellekt, in dem sich der Wille Lichtund Fackel angezündet hat. So ist die Welt nicht nur Willeund Vorstellung, sondern als Vorstellung Gehirnphänomen; nachden Anfängen des Systems freilich auch umgekehrt das Gehiru alsKörper uichts als Vorstellung. So empfiehlt sich Schopenhauer in keckem Widerspruch deu Materialisten und den Idealisten zugleich.
Zum Dritten aber: dieser Wille, grundlos wie er ist, istebenso auch ziellos nnd deshalb iu der Rastlosigkeit seines Be-gehrens uud Strebens ewig nn befriedigt. Alles Begehren geht aus