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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Schopenhauer.

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Maiigel und Unbefriedigthcit hervor; ist es befriedigt, so stellt sichdie Befriedigung doch wieder als Täuschung heraus und ist nurder Anfang eines neuen Strebens und so fort in inllnitum. So-bald aber das Streben einmal aufhört, so stellt sich als Gegenpolein neuer Dämou eiu, die Langeweile, und so schwingt zwischenSchmerz und Langeweile das menschliche Dasein, wie ein Pendel,hin und her. Das ist der Schopenhauersche Pessimismus, der sichin Klagen und Anklagen über den Unwert des Lebens, über dieKille der Leiden und Schmerzen, über die Dummheit und Schlechtig-keit der Menschen ergeht; und begründet wird er, soweit er sichnicht auf starke Worte und einseitiges Hervorheben von Thatsachenbeschränkt, durch die Behauptung, daß alle Lust nur negativ, Be-freiung von irgend einem Schmerz uud irgend einer Not sei. DerOptimismus aber ist ihm uicht bloß eine absurde, sondern einewahrhast ruchlose Deukungsart. Doch nicht der Mensch allein istein so ganz unseliges Geschöpf, dem es besser wäre, nie geborenzu seiu, sondern auch dranßen in der Natnr wütet der erbarmungs-lose Kampf ums Dasein, herrscht die ewige Unruhe des Natur-lebens, die tödliche Feindschaft der Natnrwesen, die sich gegenseitigden Platz streitig machen und sich aufzehren und vernichten, umsich selbst zu erhalten. Wie weit dieser letztere Gedanken mit seinerLehre von dem conserisuZ imtui-W, der äußeren und inneren Zweck-mäßigkeit der Natur in Einklang zu bringen ist und wie der All-EineWille zugleich ein sich selbst aufzehrender Wille sein kann, inter-essiert uns hier ebensowenig als die Frage, ob Schopenhauer dasElend der Welt selbst in sich empfunden nnd erleln, oder es nichtbloß ästhetisch als Zuschauer der großen Welttragödie oder -Tragi-komödie vor seinen Augeu habe vorüberziehen lassen.

Notwendig aber rief nun dieser Pessimismus viertens nach einerErlösungslchre. Wenn alles Wollen, alles Leben Leiden ist, so kannSchopenhauer natürlich nicht im kräftigen Wollen und Handeln, imenergischen Anfassen des Lebens nnd seiner Aufgaben Ziel uud Berufdes Menschen sehen. Ist die Bejahung des Willens zum Lebeu dieQuelle alles Eleuds, so ergiebt sich als einzig möglicher Auswegdie Berneinuug dieses Willens. Diese ist möglich, sogar auf drei-fache ^Weise möglich. Der Wille kommt znr Nuhe iu der An-