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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Lismarck.

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fraglos die Geister zur Entscheidung für oder gegen sich, zn Liebeoder Haß anfgcrnfen und gezwungen es war im sechzehntenJahrhundert Martin Luther . Wir habeu nur vier ganz großeMenschen iu unserer deutscheu Geschichte: Luther, Friedrich denGroßen, Goethe und Bismarck; nnser Jahrhundert kann sich rühmen,zwei davon die seinigen zu nennen. Weder mit Friedrich noch mitGoethe ist Bismark ohne weiteres zu vergleichen: jener ist der Mannder Skepsis der verwegenen Männlichkeit, welcher dem Genie zumKriege und zur Eroberung nächst verwandt ist", dieser der universaleMensch und Träger einer wahrhaft humanen Bildung, mit der er allesGute und Große des achtzehnten Jahrhunderts herüberrettete indas neunzehnte nnd dieses bewahrte vor dein völligen Versinkenin romantische Krankhaftigkeit und Barbarei. Auch sie haben etwasDämonisches, bei Friedrich dem Großen haben erst jüngst Max Lehmannund Hans Delbrück daraus hingewiesen; allein es verbarg sich beiGoethe hinter jener spinozistischen Betrachtungsweise im Lichte derEwigkeit, womit er den Dingen auf den Grund sah, bei Friedrich hinterder blanken Helle seines Verstandes. Bismarck dagegen war wie Luther einseitiger, er war wie dieser ein Mann des Willens und desTemperaments, der instinktiv aus der Volksseele heraus zu handeln,wie er intensiv in ihr zu lesen wußte, ein Revolutionär nndNenerer im großen Stil und daneben doch konservativ bis in dieKnochen, selbstherrlich nnd gewaltthätig, leidenschaftlich und dämonisch,mit einem Wort eiu Geuie, ciu Heros, ein ganz großer Mann.Groß auch in dem Sinue Hegels :In der öffentlichen Meinungist alles Falsche und Wahre, aber das Wahre in ihr zn finden istdie Sache des großen Mannes. Wer, was seine Zeit will undausspricht, ihr sagt und vollbringt, ist der große Mann der Zeit.Er thut, was das Innere und Wesen der Zeit ist, verwirklicht sie,und wer die öffentliche Meinung, wie er sie hier und da hört, nichtzn verachten versteht, wird es nie zu Großem bringen." Ebendarum waren die beiden auch dem Volke verwandter, zugänglicher, inihrer Riesengröße verständlicher. Die Gebiete, ans denen diese nahe-verwandten Genien wirkten, waren freilich verschieden: Lnther derreligiöse, Bismarck der politische Erneuerer der Deutscheu. Darinliegt alsbald auch ein bedeutsamer sachlicher Unterschied: das