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Nach 1871: Der Kulturkampf.
es zur Bedeutungslosigkeit hernbzudrückeu. Oft genug erzwäng ersich durch die Einsetzung seines ganzen Willens und seiuer Persönlich-keit Nachgiebigkeit auch da, wo eine solche mit den Principien und deinProgramm einer liberalen Partei schlechthin unvereinbar war. Vielseltener setzte umgekehrt die liberale Partei ihm gegenüber ihren Willendurch. Aber gerade weil der Widerstaud so oft bei der drittenLesung erlahmte, minderte sich Bismarcks Respekt vor der Partei,und das häufige Widersprechen Lasters erschien ihm mehr wieschulmeisterliches Besserwissenwollen als wie charakterfeste Oppositionnnd reizte und erbitterte ihn darum über Gebühr und Notwendigkeit.Ganz besonders zuwider war ihm au diesem optimistischen Libera-lismus eiu gewisser sentimentaler Humanismns nnd Philanthropinis-mus , der sich z. B bei den Kämpfen um das Strafgesetzbuch durch-zusetzen suchte und diesem harten Mann von Stahl und Eisen alsSchwäche und Weichlichkeit lächerlich vorkommen mußte; so konnteer mir mit Aufbietung aller Kraft die Beibehaltung der Todesstrafegegen den liberalen Doktrinarismus erreichen. Das alles gabdann dem Spott der Gegner von links und von rechts und demMißtrauen der alten Feinde Preußens immer wieder neue Nahrungund ruinierte vor allem die nationalliberale Partei selbst, der maneine übertriebene Neignng zum Abschluß von Kompromissen und eineallzugroße Nachgiebigkeit, Mangel an Rückgrat nicht ganz ohne Grundnachsagte.
An Gegnern aber, die auf jede Blöße lauerten und sie aus-zunützen suchten, fehlte es weder dem ueuen Reich noch der national-liberalen Partei, am allerwenigsten aber Bismarck , der auch seinerseitsstets ein guter Hasser geweseu ist uud es verstanden hat, auoorsaire oorsairs st äeirri zu seiu. Die Welsen in Hannover , diefreilich am wenigsten zahlreiche Rechtspartei im alten Kurhessen, diePolen mit ihreu nie verjährenden nationalen Aspirationen undihrem unrnhvollcu Haß, die ucugewouneueu Elsaß-Lothringer, dieeine zweihuudertjährige Zusammengehörigkeit doch weit mehr znFranzosen gemacht hatte, als das ein bequemer Germanisierungs-eifer zugeben wollte, die paar Dänen im Norden von Schleswig —sie alle waren mit dem ganzen Bestand des deutschen Reiches un-zufrieden. Und auch in Bayern und Schwaben, in Frankfurt und