Aufmarsch zum Kampf.
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wohin er sie auch führe. Im Laufe der Zeit stellten sich aber auchinnerhalb dieser kleinen Kirche selbst Gegensätze heraus. Währenddie einen sich ans die Abweisung des neuen Dogmas beschränkenund im übrigen einfach katholisch bleiben wollten, gingen dieanderen zn tiefer greisenden Reformen weiter; nnd als diese Parteider „Reform der kirchlichen Znstände sowohl in der Versassnngals im Leben der Kirche" siegte, kehrten doch manche dem Alt-katholizismus rasch wieder den Rücken, andere zogen es unter solchenUmständen vor auch noch den nächsten Schritt zu thun nnd tratenZum Potestautismns über. Auch die Aushebung des Cölibats-zwaugs, so berechtigt sie war, wirkte doch im ersten Augenblicknicht durchweg günstig und gab zu allerlei Mißdeutungen Anlaß.Aber die Hauptsache bei dem Abfall und der Kircheubilduug dieser„Altkatholikeu" war der moralische Eindruck, der, namentlichanch dnrch das Gewicht der Namen, die an ihre Spitze traten, dieZahl bei weitem aufwog und auch durch die Paar Unwürdigen,die sich anschlössen, nicht wesentlich beeinträchtigt wurde: demkouute sich auch die katholische Kirche nicht verschließen, daß sienoch einmal ärmer gewordeu war au Geist uud Gewissenhaftigkeit,an Mut uud Freiheitsgefühl. Die Bewegung war ja eine weiternstere und sittlich höher steheude als die des Deutschkatholizismus;mit der Reformation des sechzehnten Jahrhunderts kanu sie sichfreilich weder an Tiefe noch an Stärke irgendwie vergleichen, ammeisten gemahnt sie an den JanseniSmns und seinen Protest gegeujesuitischen Geist uud päpstlichcu Absolutismus . So bedeutet derAltkatholizismus eiue iuuere Schwächung der katholischen Kirche —einen Dolliuger verliert man nicht, ohne den Verlust zu spüreu —,weuu anch äußerlich, gerade im Zusammenhang mit dem alt-katholischen Gegensatz, eine gewaltige Steigerung und Zusammeu-raffnng ihrer Macht und Machtmittel die nächste Folge war.
Aufmarsch zum Kampf.
Ich habe schon erwähnt, daß noch vor der Eutscheidnng iuRom der damalige bayerische Ministerpräsident Fürst Hohenlohe ineinem Rundschreiben vom 9. April 1869 auf die Gefahren hin-wies, welche dem Staat dnrch das Unfehlbarkeitsdogma erwachsen
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