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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 1871: Der Kulturkampf,

beendeten mit Frankreich hin, genierte ihn und seine Gesinnungs-genossen wenig; aber ebenso selbstverständlich, daß sich BiSmarck pflichtgemäß dieser Forderung versagte. Allein darin lag nicht dereinzige Grund, daß sich schon im November 1870 bei den Wahlenzum preußischen Landtag, dann im März 1871 bei denen zum erstendeutschen Reichstag ähnlich wie beim Frankfurter Parlament imJahre 1848 die Katholiken als solche zusammenscharten nnd dievon ihnen gewählten Abgeordueteu eine besondere katholische Fraktionbildeten; und zwischen hinein erfolgte die Gründung der ultramou-tancnGermauia" in Berlin , deren erstes Blatt am I. Januar 1871erschien. Man war darüber um so mehr erstaunt und beunrnhigt,als die Führung der Partei ein der Neugestaltung Deutschlands seit186K feindlich gegenüberstehender und Wohl auch durch Person lieheNichtbeachtung gekränkter Welse Ludwig Windthorst übernahm.Dieser gefährliche Mann zeigte sich alsbald als vollendeter Meister! politischer Geschicklichkeit. Ihm gelang, was fast unmöglich schien,die auseinanderstrebenden Elemente zu einer kompakt geschlossenenPartei zusammenzufassen, auf der einen Seite die hannoveranischenWelfen und die antipreußischen Partikularisten ans Bayern , ansder auderu Seite patriotisch gesinnte Preußen, nnd unter diesenwieder die freiheitlich, fast demokratisch angehauchte» Nheiuläuderneben den feudalen Rittergutsbesitzern aus Schlesien ; und es war-nicht etwa ein Herrschen über Nullen, Mäuuer wie die beiden Reichen-sperger und Maklinckrodt, wie Schorlemer-Alst und Frauckeusteinhaben sich Jahrelang dieser seiner Führung uutcrworsen. So hatteder Katholizismus, der seit 1848 unablässig gerüstet hatte, mobilgemacht, uud in der Person des Führers lag uuverkeuubar eiuefeindliche Spitze gegen den neuen deutschen Staat. Trotzdem hatBismarck , der nach feiner ausdrücklichen Erklärung durch dieseganze Schildcrhebuug überrascht wurde, den Ausbruch des Kampfessolange als möglich zn verhindern gesucht. Eiu Kamps mit derKirche kounte seinem Werke und den nächsten Aufgaben deS Reichesuud seiuer Ausgestaltung nur schaden, widersprach seinen Persön-lichen Anschnnuugcn und Neiguugcn uud mußte bei Kaiser Wilhelm und noch mehr bei dessen Fran, der in der Welt der Nomantikwurzelndeu Kaiserin Augustn aus Widerstnud uud Friktionen stoßen. '