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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Der Kampf.

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Überdies garantierte die Person des ans den Konfliktsjahren herbeibehaltenen Kultusministers, des reaktionären und streng kirchlichund kvusessionell gesinnten Herrn von Mühler, noch immer für dieNachgiebigkeit des Staates gegen die kirchlichen Ansprüche in allenCinzclfragen bis an die letzten Grenzen des Möglichen. So ist jeden-falls der Kampf nicht von der NegierungSseite ansgegangeu, dennihr konnte er mir unerwüuscht sciu. Umgekehrt drängte auch dasCentrum dazu nicht mutwillig, seine Existenz war schon der Kampf,aber diese Existenz war eine in dem Gang der Dinge, in der Ent-wickelung der katholischeil Kirche im neunzehnten Jahrhundertliegende Notwendigkeit, es mußte zum Zusammenstoß zwischen ihrund dem neuen Staatsgebilde kommen, das sich durch Niederwerfungdes katholischen Österreich nnd des katholischen Frankreich kon-stituiert hatte und an dessen Spitze ein protestantischer Kaiser stand.Die Existenz des nencn Reiches war an und für sich schon eineNiederlage der ultramontanen Kirche, die Existenz des Centrumswar der Versuch, dem Reiche deu Sieg zu eutreißeu, und das be-deutete Kampf.

Der Kampf.

Dieser begann denn auch sosort. Das Centrum stimmte gegendie die Thronrede beantwortende Adresse im ersten deutschen Reichstag, weil dieselbe die Nichteinmischung Deutschlands in dasinnere Leben anderer Völker ausdrücklich betonte nnd damit auchder mittelalterlichen Kaiserpolitik in Italien nnd den neuesten Hoff-nungen auf die Beihilfe Deutschlands zur Wiederherstellung derweltlichen Herrschaft des Papstes entgegentrat. Nnd umgekehrt ver-langte eS die Aufnahme der schlecht redigierten Artikel 15 nnd 18der preußischen Verfassung, welche in vagster Weise der Kirche dieselbständige Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten zu-sagten, in die Reichsverfassung.

So war die Situation einer Kampfstellnng durch das Centrumgegeben und die Stimmung hin nnd her gleich von vorne hereinverbittert. Dazu brachte danu die Altkatholikenfrage in Bayern ,Baden und Preußeu mit Notwendigkeit Schwierigkeiten undReibungen, uud selbst Herr v. Mühler konnte sich der Pflicht des