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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 1871! Der Kulturkampf,

Menschenverstandes und der deutschen Wissenschastlichkeit gegen diesenheillosen romanischen Unsug ein kräftiger Widerstand. Und nochernsthafter lautete die Einsprache des Würzburger ProfessorsHermann Schell iu feiuer 1897 erschienenen BroschüreDerKatholizismus als Prinzip des Fortschritts". Dem Miß-Baughau-.Schwindel gegenüber bezeichnet er es als eine Schande, daßsolcherunchristlicher Aberglaube und mythologischer Unsinn" überhaupteine Enthütluug und Entlarvung nötig gehabt habe und gestehtangesichts dessen die misseuschaftliche Juferiorität des Katholizismus»numwnnden zu. Als Gründe dafür macht er sich zn eigen, wasKardinal Mauniug, Erzbischos vou Westminster, 1890 in einerArt von geistigem Testament in acht Punkten zusammengefaßt hat.Es sei 1. der Mangel eines Klerus, der wisseuschaftlich uud bürger-lich vollgcbildet sei; 2. die Seichtigkeit der Predigt; 3. die immermehr im Zunehmen begriffene Neiguug der katholischen Kreise, denGebranch der heiligen Schrift nach Umfang und Energie zurück-zudrängen; 4. die Unterschätznng des Protestantismus und seinerThätigkeit auf dem Gebiet der Humanität und Nächstenliebe, nnddoch seien die größten Bewegungen-zur sittlichen Besserung undHebung der bestehenden Übelstände und zur Durchführung derchristlichen Nächstenliebe im großen Stil von protestantischer Seiteausgegangen; 5. ein dem biblischen Geist zuwiderlaufender Sakra-mentnlismus; 6. der Offizialismus d. h. die Überschätzung desgeistlichen Amts, das decken und ersetzen soll, was der Person desPriesters an Geist und Bildung, an Gründen und an Umgangs-formen, an Geduld uud Liebe mangle; 7. die Vorliebe für Polemilund Kontroverse, für Hervorhebung des Unterscheidenden nnd Ge-schöpflichcn, das die Gebildeten abstoße nnd geradezu als Ärgernisvon ihnen empfunden werde, uud 8. der Jesuiteuordeu. Jhu uuddeu vou ihm gepflegten RomanismnS macht Schell für das Auf-kommen des derbeu uud uuchristlicheu Aberglaubens und für dasMißtranen verantwortlich gegen alles, was von selten der deutschenTheologie zur rationalen und ethischen Pertiefnng der katholischenGlaubenslehre aufgeboten werde. Dagegen rnft er den germanischenGeist auf, der viel mehr als der romanische zur innerlichen, ver-nnnstmäßigen und sittlichen Auffafsnng der Religion angelegt sei