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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 1871: Der Kulturkampf.

Zache erscheinen zu lassen. Das alles hatte natürlich den Nieder-rang der Protestantenvereinssache zur notwendigen Folge. Heuteist er nur noch ein kleines Hänslein von Offiziere» ohne Heer.

Teilweise lag das freilich auch in dem Wesen der Bewegnngmit begründet, der es doch selber auch an Klarheit uud Ent-schiedenheit fehlte. Zudem sie eintrat fürdie Berechtigung derindividuellen Mannigfaltigkeit innerhalb derselben Kirchenversassung",konnten sich Orthodoxe nnd Liberale dem Verein anschließen, undwirklich gehörte ihr auch ein so positiver Mann wie der Mecklen-burger Michael Baumgnrten längere Zeit an. Allein thatsächlichwaren es doch die dogmatisch Freidcnkenden, die den Verein kon-stituierten; nnd der von ihren Gegnern erhobene Vorwurs, daß siedie Gottheit Christi nnd die Dreieinigkeit verwerfen, traf auf diemeisten sicher zu. Weil sie aber doch auch nach links hin eineGrenze ziehen und uach rechts den konservativeren Elementen dieThüre offen lasfen wollten, so kamen sie mit ihren öffentlichenKundgebungen teilweise ins Gedräuge. Mau höre z. B. die gegeueine Berliner Pastoralkonferenz im Jahr 1868 veröffentlichte Er-klärung:Wir gestehen jenen Pastoren das Recht nicht zu, unsdarüber zu verhören, ob wir glauben, daß JesuS Christus wahr-haftiger Gott sei. Noch weniger sind sie befugt, in unserem Namendie Frage zu beantworten. Aber wir wollen die unbestreitbareThatsache nicht verheimlichen, daß die antike heidnische Welt derGriechen nnd Römer eher an Christus glauben lernte, wenn er ihrals Gott gepriesen wurde, und die heutige moderne Welt mit ihremerweiterten Gottesbewußtsein und Naturbegriff weit eher für Christusgewonnen und erwärmt wird, wenn er ihr als Mensch menschlichdargestellt wird. Wir behaupten auch hier das volle Recht derheutigen protcstantischeu Welt, Christus geschichtlich zu erfasse» undmenschlich zu begreifen. Wer ihr dieses Recht abstreitet, der nötigteinen sehr großen Teil der Gebildeten entweder zu offenbarerHeuchelei oder zur Lossagung vom Christentum. Wir wollen um-gekehrt, daß sie aufrichtige Menschen und Christen bleiben." Daswar sehr schön gesagt, aber für die einen zu viel und für dieaudern zu wenig; nnd so konnte Strauß die Vertreter dieser An-schauung als dieHalben" im Eifer des Gefechts sogar für noch