Innere Zustände des Protestantismus.
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„absurder" erklären als die „Ganzen" von der Lbservanz Hengsten-bergs. Heilte würde auch er sich den LnxuS einer solchen Poleiitikschwerlich mehr gestatten. Der Kamps mit der immer kühner ihrHanvt erhebenden Orthodoxie und die eigene innere Arbeit hat diekleine Schar des Protestantenvereins weiter nach links hin gedrängt,uud umgekehrt haben die noch jenseits von ihnen Stehenden alleUrsache, sich mit diesen tapferen Resten zusammenzuschließen undSchulter an Schulter mit ihnen die letzten schwer gefährdetenPositionen zu verteidigen.
Die Gründer und Führer des Protestanteuvereius gehörteuursprünglich meist zur „Vcrmittlniigstheologie". Die wissenschaftlicheArbeit aber hat ihren eigenen Weg und bethätigt an ihren Werkzeugenihre eigene Kraft: das zeigte sich auch an dieser Richtung. Männer wieHoltzmann oder Weizsäcker dürfen sich heute als würdige Thronerbennnd echte Nachfolger Baurs und seiner Schule betrachten, derenkritische Untersuchungen über das Neue Testament, das apostolischeZeitalter nnd seine Lehranschauungen sie in tiefdriitgender gelehrterForschung' und in wissenschaftlich freiem, hohem und feinem Geisteunbekümmert tun alle Anfechtungeu rüstig weitergeführt haben.Dabei unterstehen freilich auch sie deut Los aller Theologie. Indem Zwiespalt zwischen Glauben und Wissen übernimmt sie zuerstdie Vermittlerrolle. Bestimmt die religiösen Vorstellungen zu einemSystem zusammenzufügen foll sie dieselben mit der sortschreitendeuWissenschaft und Weltanschauung in Einklang bringen nnd ver-söhnen. Allein solange es ihr auch gelingt, schließlich ergeht esihr nicht anders als aller übrigen Wissenschaft, sie selber wirdWissen, wird historische oder philosophische Wissenschaft, nnd nunkommt sie ihrerseits in Konflikt mit den religiösen Vorstellungen,denen sie ihre Arbeit gewidmet hat. Da sehen und erleben wir esdann riugs um uns her, wie gerade solche wissenschaftliche Theologenvon der Kirche aufs heftigste augegriffen und ihr Wisfen undArbeiten vielmehr als ein die Religion Schädigendes und den GlaubenBeeinträchtigendes in seinem Werte verkannt nnd mamngfach an-gefochten nnd verketzert wird. So erfüllt sich auch hier die Tragikim Kampf zwischen Glauben und Wissen, die keinem tiefer sinnendenund nach Wahrheit strebenden Menschen erspart bleibt.
Ziegler, die geistigen u. sociale» Strömungen des iü. Jahrh. 29