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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 1871: Socialismus und Socialdemokratie.

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jungen Schule rasch genug eine Gefahr. Diesem Gesühl der Be-äugstiguug gab wohl zuerst Treitschke, empfänglich wie er war füralles, was um ihn her die Geister erregte und namentlich über dievon ihm festgehaltene nationalpolitische Grenzlinie hinaus zu führendrohte, schon 1874 energischen Ausdruck, indem er diese Katheder^socialisten vor der Öffentlichkeit als die Gönner des Socialismusund der Socialdemokratie denunzierte. Er hatte ja durchaus Rechtund schien es dadurch noch mehr zu bekommen, daß nicht nureinzelne vou diesen Kathedersvcialisten wie eine Zeitlang Schaffteder socialistischen Lehre nahe genug kamen nnd manche Teilnehmeran den wissenschaftlichen Seminarien dieser Nniversitätssocialistendirekt ins socialdemokratische Lager übergingen. Allein er bewiesans der anderen Seite doch nur, daß er seine Zeit, d. h. die nächsteZukunft und was sie uns brachte, nicht mehr verstand, wenn ersich iu seinem Urteil über die socialen Zustände allzu sehr aus denBoden des manchesterlichen iaisse-i aller stellte und den socialistischenAnschauuugeu gegenüber allzu schroff au der individualistische!? undliberalistischen Theorie festhielt.Keine Kultnr ohne Dienstboten";die Klassenherrschaft ergiebt sich notwendig aus der Natur derGesellschaft";unabänderlich gilt das Gesetz, nur einer Minderzahlist beschiedeu, die idealen Güter der Knltnr ganz (!) zu ge-nießen; die große Mehrheit schafft im Schweiße ihres Angesichts":die Masse wird immerdar Masse bleiben";diese Ordnung istgerecht und sie ist notwendig";das Wachstum der Bevölkerunguud ihrer Bedürfnisse hält unwandelbar die alte Regel aufrecht,daß die Mehrzahl der Menschen in beschränkten Verhältnissen lebenmuß und die durchschnittliche Arbeitszeit sich nicht erheblich ver-ringern kann": sv hat Treitschke zu einer Zeit, wo er noch liberalwar,iu besonders klassischer Form", wie Höffding meint, d. h. inebenso oberflächlicher als brutaler Deutlichkeit deu Gedanken desindividualistischen Liberalismus formuliert; und seit der HerausgabeseiuerPolitik" sehen wir, daß er daran anch noch als Konser-vativer bis zu seinem Ende festgehalten hat. Diese Theorievonder mangelnden Gesittnngsfähigkeit der unteren Klassen uud der Not-wendigkeit, eilten ungebildeten Arbeiterstand zu erhalten, weitn dieBildung der höheren Klassen nicht unmöglich werden soll", ist noch