Zwei Thronwechsel.
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ein einfaches Zeichen menschlicher Teilnahme und patriotischerAnerkennung versagte, war das mir ein jammervolles Zeugnis„kläglicher Undankbarkeit und noch kläglicherer Uureife", das sichdie Volksvertretung selber ausstellte. Darum umbrauste an jenemTage doch der lauteste Jubel den Alten im Sachsenwalde; uud daßdie deutsche Jugend, uusere Studenten es darin allen auderen zuvor-thaten, war für die Stimmung des Volkes bedeutsamer als jenerMajoritätsbeschluß. Friedrichsruh war znin Wallfahrtsort fürUnzählige geworden. Aber auch viel menschliche Kleinheit undArmseligkeit offenbarte sich diesem Großen gegenüber. Daß beiSocialdemokraten, Ultramontanen und Fortschrittsleuten der alteHaß gegen ihn blieb, war nur natürlich; es war zugleich eine An-erkennung dafür, daß er uoch immer eine Macht sei, mit der manlebendig, und jetzt auch tot, zu rechnen habe. Nein, ich rede hiervon jenen ängstlichen Gemütern, die die Größe so wenig begriffen,daß sie ihn mit dem Maßstab des nächsten besten entlassenenMinisters maßen und von ihm erwarteten uud begehrten, daß ersich wie ein solcher ducke und schweige. Alte Mitarbeiter redetennur noch von „dem alten bösen Mann" in Friedrichsruh , höhereBeamte fragten sich ängstlich, ob sie an einer Bismarckfeier sichbeteiligen dürfen, Zeitungen, die ihm vieles zu verdanken hatten,klagten, daß der Alte polternd nnd scheltend hinter dem Reichs-wagen drein laufe. Es war etwas wie eine Scheidnng der Geister,die sich hier vollzog, nnd bei ihr wurden gar viele nur allzu leichterfunden.
Als er aber dann am 30. Juli 1898 seinein Volke für immerentrissen wurde, da war es anch wieder wie eine Sammlung. Jetztsenkten selbst die Geguer sast alle die Waffen nnd erkannten seineGröße rückhaltlos an: nnr Liebknecht im „Vorwärts" und einpaar elsässische Blättchen zeigten sich auch in diesem großen Momenteklein und eng wie immer. In andächtiger Ehrfurcht und tiefem Schmerzrichteten sich die Blicke seines Volkes auf den stille Gewordeneu, dernun nach einem Leben voll Kampf und Arbeit voll Sieg und Erfolgnnter den deutschen Eichen seines schönen Waldes zur Ruhe gebrachtwerden wollte. Die Grabschrift, die er sich selbst gewünscht:„Fürst Bismarck , treuer deutscher Diener Kaiser Wilhelms I."