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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 1871: äs sieols.

die führende Stellung einnahm, gaben demselben eine nie da-gewesene Machtstellung, niemals ist in größerem StilWelt-politik" getrieben worden als in diesen letzten zehn Jahren derBismarckschen Ära unter Kaiser Wilhelm I. Selbst wenn Deutsch-land einmal zurückwich, wie in der Karolinensrage, hatte man nichtden Eindruck einer Nachgiebigkeit aus Schwäche, sondern den derstolzen Gelassenheit des Starker, der Kleinigkeiten als Kleinig-keiten behandelt und auch die Ungezogenheiten des Schwächerennicht als Beleidigungen ahndet, sondern sich damit begnügt, diedabei vorgekommenenSachbeschädigungen" mit gutem Humorreparieren zu lasseu.

Allein was von Anfang an nicht war, der Stolz auf dieMacht uud der Wille zur Macht, allmählich ist es doch gekommen,gewachsen nnd groß geworden. Es war nur natürlich, daß demHeer, das sich wunderbar bewährt und im Kriege gegen Frankreich so Großes geleistet hatte, steigende Sympathie und Aufmerksamkeitzugewandt wurde. Im Reichstag gab es freilich um den Heeresetatund die Frage des Septeunats immer neue Kämpfe, und mehr alseinmal drohte der Konflikt; aber immer wieder wnrde er durchNachgiebigkeit von beiden Seiten vermieden, einmal hat der Kaiserselbst zugegeben:der Reichstag ist im allgemeinen A^nöreux fürdie Armee geweseu nnd hat, was ich anerkennen muß, Pietäts-gefühle, wenu es ihm auch schwer wurde, gezeigt". Und wenn wie1887 der Reichstag nicht nachgeben wollte, so sprach sich das Volkin den Neuwahlen für die von der Regierung eingebrachte Militär-vorlage aus und bewies ebensoviel Verständnis für die gespanntepolitische Lage als für die Notwendigkeit eines starken Heeres uudeiuer steteu Bereitschaft der deutschen Macht. Wie sehr man sichan die Grundzüge der eiust so heftig befehdeten Armeeorganisationgewöhnt hatte, das zeigte das Mißtrauen, mit dem man bis tieshinein in die liberalen Kreise 1893 die Herabsetzung der Dienstzeitauf zwei Jahre hinnahm: jetzt erschien die Erfüllung dieses altenliberalen Wunsches wie ein Sprung ins Dunkle und man fragtesich, ob die Vermehrung der Quantität nicht durch eine Ver-schlechterung der Qualität allzu teuer erkauft sei; inzwischen sindfreilich auch diese Bedenken wieder verstummt. Durch die immer