Die Frauensrage.
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verzweigt ist, unter dem Namen der Frauenfrage zusammenfassen.In den vorangehenden Jahrhunderten hat es eine solche nicht gegeben.In der Zeit des Absolutismus und aufgeklärten Despotismus war derMann im Haus auch der unbeschränkte Herrscher, immer Despot,ausgeklärt nur zuweilen; auch mit der stillcu Herrschaft der Fraueuwar es nicht weit her so wenig als mit ihrer Bildung, es warenvorwiegend männliche Zeiten; Maria Theresia und Katharina II. galten nicht nur als Ausnahmen, sie waren es auch. Auch diesrauzösische Revolution brachte darin zunächst keine Änderung,obwohl in Frankreich die Frau schon vorher in der Gesellschaft mehrzn bedeuteu hatte. Weun Fr. Schlegel recht gesehen hat, daß nebender französischen Revolution und Fichtes Wissenschaftslehre GoethesWilhelm Meister zu den drei großen Tendenzen des ausgehendenJahrhunderts gehöre, so dürfen wir fraglos anch für die Stellungder Frau diesen Roman und überhaupt Goethes Stellung zu denFrauen für epochemachend ansehen. Zunächst in Hermann undDorothea das Wort:
Dienen lerne beizeiten das Weib nach ihrer Bestimmung:Denn durch Dienen allein gelangt sie endlich zum Herrschen,Zu der verdienten Gewalt, die doch ihr im Hause gehöret.Dienet die Schwester dem Bruder doch früh, sie dienet den Eltern,Und ihr Leben ist immer ein ewiges Gehen und Kommen,Oder ein Heben und Tragen, Bereiten und Schassen für andre.Wohl ihr, wenn sie daran sich gewöhnt, daß kein Weg ihr zu sauerWird und die Stunden der Nacht ihr sind wie die Stunden des Tages,Daß ihr niemals die Arbeit zu klein und die Nadel zu sein dünkt,Daß sie sich ganz vergißt uud leben mag nur in andern!Denn als Mutter fürwahr bedarf sie der Tugenden alle,Wenn der Säugling die Krankende weckt und Nahrung begehretVon der Schwachen, und so zu Schmerzen Sorgen sich häufen.Zwanzig Männer verbunden ertrügen nicht diese Beschwerde,Und sie sollen es nicht; doch sollen sie dankbar es einsehn.
Dann der Gretchentypus:
Ich weiß zu gut, daß solch erfahrnen MannMein arm Gespräch nicht unterhalten kann.
Bin doch ein arm unwissend Kind,
den ja Ausländer häufig sür den deutschen Frauentypus halteu.Daneben aber nun die aus Goethes persönlichstem Erleben mit
Zicgler, die geistigen u> socialen Strömungen des lg. Jahrh. 36