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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
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Die Frauenfrage.

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Thatsächliche zunächst einzuschränken: auch jetzt schvn unter erheblichungünstigen Bedingungen haben einzelne studierende Frauen Nor-males geleistet und stehen durchschnittlich hinter den männlichenStudenten an Leistung nicht zurück, übertreffen sie jedenfalls häusigan Fleiß. Daß es aber allerdings vielen Frauen an Sinn undInteresse für geistige Arbeit fehlt, daran ist nicht die weibliche Natur,sondern die übliche Erziehung unserer höheren Töchter schuld. Nacheiner recht unvollständigen nnd oberflächlichen Schulbildung schlepptman sie durch das wilde Lebeu, die flache Unbedeutendheit unserersogenannten Geselligkeit, läßt sie pflichtlos als Schmetterlinge inder Welt umherflattern und tanzen, sich putzen und zieren, flirtennnd kokettieren, und als geistige Nahrung haben sie französische,günstigeren Falls englische Romane oder die unter solchen Umständengeradezu schädliche und verweichlichende, weil lediglich spielerischeBeschäftigung mit der Musik. Und da wuudert mau sich, daß soviele Frauen eitel und gefallsüchtig, kleinlich und für geistigeInteressen stumpf, unlogisch und charakterlos sind! Statt aber dementgegenzuarbeiten, verschließt man ihnen gewaltsam den Weg, derdarüber hinausführt, den Weg ernster geistiger Arbeit. Währendin anderen Staaten Frauen längst schou zum Universitäts-studium zugelassen werden, sträubt man sich in Deutschland nochimmer dagegen: am hartnäckigsten waren lange Zeit die Universitäts-profefsoren selbst, von denen heute noch viele ihre Hörsäle Frauen ganzverschließen; niemand ist konservativer als sie, nirgends werdenZöpfe länger getragen und Vorurteile später abgelegt als auf denHochschulen. Die Regierungen sind vorsichtig nnd zögern mitprinzipieller Entscheidung, überlassen sogar ganz gegen ihre Gewohn-heit in dieser Frage die Verantwortlichkeit gerne den einzelnenProfessoren. Die Ärztetage sperren sich voll Sorge gegen diedrohende Konkurrenz des schwächeren Geschlechts; ganz besondersrückständig zeigte sich der 1898 in Wiesbaden gehaltene. Dieöffentliche Meinung ist geteilt: in den Parlamenten fitzt der Wider-stand hauptsächlich bei der ultramontanen nnd konservativen Partei:dastaosat, iurckisi-" des Apostels Paulus hat für sie etwasBindeudes. Dagegen sind es neben den Socialdemokraten vor allemdie Freisinnigen, welche für die Sache eintreten. Übrigens ist der