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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 1871! 6s sidele'.

Widerstand lim so thörichter, von welcher Seite er anch ausgeht,als dieser Fortschritt ja fraglos doch kommt. Und wie inkonsequenter ist, sieht man daran, daß in Deutschland zwar weiblichen Ärztendie Praxis gestattet wird, das Studium der Medizin aber und vorallem die Zulassung zum Examen den Frauen uoch versagt ist: siemüssen also ihre Ausbildung im Ausland suchen, und im Julandmacht man dann von ihrem dort geholten Wissen und Könnendoch Gebranch!

Geteilt ist aber anch die Meinung der Franen selbst. DieMasse jener thörichten Jungfrauen, die ans den Bräutigam warteuund ihn im Tanzsnal und auf den Spielplätzen zu ergattern suchen,und der vielen satten oder stumpfen Frauen will von der ganzenBewegung nichts wissen: sie gilt es also für dieselbe zu gewinnenund aus ihrer Gleichgültigkeit aufzurütteln. Aber auch die derBewegung geneigten Frauen sind geteilt: die einen beschränken sichgrundsätzlich darauf, au der socialen Arbeit auf dem Gebiet derKrankenpflege und der Fürsorge für die Erziehung der Kinder unddie bessere Ausbildung der schulentlassenen Mädchen teilzunehmen:nach dieser Seite hin sind besonders die vaterländischen Frauen-Vereine thätig, iu deucn sich übrigens leider viele nur aus Strebereiund Rücksicht auf fürstliches Protektorat bereit finden lasfen. Beidiesen letzteren gilt dann natürlich jedes darüber hinansgehendeStreben fürunweiblich". Dagegen hat es der von Louise Otto-Peters uud Auguste Schmidt im Febrnar 1865 in Leipzig insLeben gernfene Fraueubitduugsverein von Anfang an als seine Auf-gabe betrachtet, die Bildung der Frauen zu heben und ihre Ge-danken ans ideale Ziele hinzulenken. Daran schloß sich noch im selbenJahr der erste deutsche Frauentag und die Gründung des allgemeinendeutschen Fraueuvereins an. Das Programm desselben erklärte inseinem Z 1die Arbeit, welche die Grundlage der ganzen neuen Ge-sellschaftsein soll, für eine Pflicht und Ehre des weiblichen Geschlechts",nahm deshalb für die Fran auchdas Recht der Arbeit" in Anspruchund hielt es für notwendig,daß alle der weiblichen Arbeit imWege stehenden Hindernisse entfernt werden". Und den socialenHintergrund im Geiste der sechziger Jahre enthüllte der § 2, der solautete:Wir halten es für ein unabweisbares Bedürfnis, die Weib-