Die Frauenfrage.
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lichc Arbeit vou den Fesseln des Vorurteils, die sich von den ver-schiedensten Seiten gegen sie geltend machen, zn befreien. Wirhalten in dieser Hinsicht neben der Agitation durch Frauenbilduugs-vereine und die Presse die Begründung von Produktiv-Assoziationen,welche den Frauen vorzugsweise empfohlen werden, die Errichtungvou Jndustrieausstelluugen für weibliche Arbeitserzeugnisse, dieGründung von Industrieschulen für Mädchen, die Errichtung vonMndchenhcrbergen, endlich aber auch die Pflege höherer wissenschaft-licher Bildung für geeiguete Mittel, dem Ziele näher zn kommen".So enthielt dieses Programm vor allem diejenige Seite der Frauen-srage, welche als die sittliche und Bildnngsfrage bezeichnet werden kanu,„die Erziehung der Frauen zu freieren Persönlichkeiten", währendandere Frauenvereine, allen voran der Letteverein, mehr an dieNotlage der arbeitenden Frauen und an die Erweiterung ihrer Er-werbsthätigkeit dachten. Aber auf dem Frauentag zu Frankfurt a. M.im Jahr 1876 kam es zur Einigung zwischen beiden Gruppen,die Frauenbildungs- und die Erwerbsvereine vereinigten sich hier,und 1894 schlössen sich alle diese Bestrebungen zusammeu iudem Bund deutscher Frauenvereiue, der aus Auregungeu von derWeltausstellung in Chicago hervorging. Als Zweck bezeichnet er„die Verbindung aller derjenigen deutschen Frauenvereine, die dieHebung des weiblichen Geschlechts auf geistigem, wirtschaftlichem,rechtlichem uud socialem Gebiete anstreben, zur gemeinsamen För-derung". Noch vorher ermöglichte es eine größere Stiftung imJahr 1888 dem Verciu, auch Haud an die Gründung von Mädchen-gymnasien zn legen, damit die Forderung auf Zulassung des weib-lichen Geschlechtes zum Universitätsstudium nicht mit Fug durch deuHinweis auf die mangelnde Vorbildung desselben abgewiesen werde.Das erste Müdchengyinnasium in Karlsruhe litt freilich sofort uuterdem Versuch, bei dieser Gelegenheit zugleich auch iu aller Eile eineGymuasialreform in Scene zu setzen; besser gelang es in Leipzig und mit den Gymnasialkursen, die Helene Lange schon vorher inBerlin sür Mädchen eingerichtet hatte. Dagegen widersetzte sich dasbayerische Ministerium der Gründung einer solchen Anstalt in München ,nnd 1898 versagte der preußische Kultusminister Bosse dem Antragdes Breslauer Magistrates ans Errichtung eines Mädchengymnasiums