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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Die Fvauenfrage.

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geht durch den ganzen linken Flügel dieser Frauenrechtlerinnenein brutaler Zug, die Neigung mit dem Ellbogen sich Bahn zubrechen und nicht bloß den Gegner, sondern auch den vorsichtigerVorwärtsschreitenden niederzuschreien. Deshalb erheben sich anchschon aus dem eigenen Lager heraus warnende Stimmen übermißbrauchte Frauenkraft". Denn unverkennbar wird durchsolches aggressive Verhalten und durch solche Voreiligkeiten, Über-eilungen und Verzerrungen einer gnten Sache viel Schadengethan. Die Gegner suchen damit ihren Widerstand zn recht-sertigen, andere erschrecken und weichen zurück, und namentlichdie guten Freunde der Fraueubeweguug unter den Männernhaben Mühe, sich dieser Buudesgenossenschaft zu erwehren undvon ihr sich zu unterscheiden uud müssen das Vergängliche nnddas Bleibende an diesen Bestrebungen sorgsältig sondern. Anchder Typus des vordringlichen, dilettantischen und schcllenlautenLitteratnrweibes" gehört hierher nnd zeigt die Frau als Schrift-stellerin oft von einer recht wenig erfreulichen und achtung-gebietenden Seite.

Trotz solcher Auswüchse aber bürgt die Gerechtigkeit uud Not-wendigkeit der Sache, das Vorwärtsschreiten derselben in anderenLändern und vor allem das entschiedene Wollen der Frauen selberfür ihreu Sieg in einer nahen Zukunft. Ein anderes Geschlechtwächst unter unseren Angen heran, Franen voll Lust zur Arbeitund voll energischen Dranges, dnrch Arbeit und Berus selbständige undfreie Persönlichkeiten zu werden. Auch hier wird der Kampf um denEinzelnen mit Nachdruck geführt und der Erfolg kann nicht aus-bleiben. Um so mehr handelt es sich darum, die Bewegung in ruhigeinGang zu erhalten und nicht dnrch Ungeduld uud Übermaß schonErreichtes wieder in Frage zn stellen oder einen, weuu auch mirvorübergehenden Stillstand herbeizuführen. Hier braucht es wirklichkeiner großen Sehergabe, um vorauszusagen, daß das zwanzigste Jahr-hundert den Frauen eine Reihe ihrer Forderungen erfüllen, sie ihrenächsten Ziele alle erreichen lassen wird. Wie lächerlich sich dannvon diesem Punkte aus rückwärts gesehen der Widerstand unsererhohen Regieruugeu, unserer akademischen Senate nnd Fakultäten nndder ärztlichen Vereine ausnehmen wird, kann man sich schon hente

Zieglcr, die geistigen u. socialen Strömungen des 19. Jahrh. 37