Die Musik,
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Verdacht und der Neid und bald der Haß namentlich seitens derUltramontauen, und so mußte der König, der damals noch die Liebeund das Vertrauen seines Volkes über alles stellte, Wagner bitten,München wieder zu verlassen. Doch die Aufmerksamkeit war dadurchin weiten Kreisen erregt, und der Gedanke ein besonderes Theaterfür das Nibelungenfestspiel zu bauen blieb bestehen. Ein nationalesUnternehmen sollte das ermögliche», uud dazu wurden — es warinzwischen das Jahr 1871 herangekommen — die ersten Wagner-vereine gegründet. Und mm bcgaun eine wilde Agitation, durchden Widerstand der stumpfen Masse empört gebärdeten sichWagnerianer wie Richard Pohl oder Wolzogen fanatisch bis zumÜberschlagen ins Lächerliche, während auf der andern Seite Kritikerwie Hanslick sich im Ablehnen versteiften und sich im Schelten undVerwerfen nicht genug thun konnten. Einen Höhepunkt erreichtedieses Kampfeswogen hin und her im Sommer 1876, als endlichdas Theater in Bayreuth gebaut war und durch die erstmaligeAufführung der Nibelungentetralogie eingeweiht wurde. Es warein europäisches Ereignis, dein ja auch der deutsche Kaiser durchsein Erscheinen den Stempel eines solchen aufdrückte. Die kurzeAnsprache Waguers am Schluß der Götterdämmerung: „Sie habenjetzt gesehen, was wir können. Wollen Sie jetzt! Und wenn Siewollen, werden wir eine Kunst haben" erfüllte die einen mit wilderBegeisterung über den Beginn einer nenen deutschen Knnstära, dieandern schrieen Zeter über diese Eitelkeit und Anmaßung. Wirwissen, daß aber auch umgekehrt über Wagnerianer wie Nietzsche gerade bei diesem Bayreuther Bühnenfcstspiel eine große Ent-täuschung kam, uicht mir weil manches noch recht unvollkommenwar, sondern weil diese Allkunst schließlich doch nicht das Wuuder,doch uicht mehr war als — eine große Oper.
Aber das Eis war gebrochen, Wagner hatte gesiegt — trotzder Bayreuther Blätter, in denen der Meister selbst und seine An-hänger doch mehr Thörichtes als Wertvolles und Wirksames habeildrucken lassen. Nicht die Reklame, sondern die wirkliche Kunst unddie in Wagners Opern zur Aussprache kommenden ganz modernenTendenzen haben diesen Umschwung herbeigeführt. Der Kampf, deruoch Jahrelang weitergesponnen wurde, ist verstummt, die Zahl der