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Nach 1871: „I'in äs sieols«.
ablehnend sich Verhaltenden ist kleiner und immer kleiner geworden,viele von ihnen gehören heute zu den Verehrern dieser neuen Kunst,und die Jugend wächst ohnedies fraglos in sie hinein. Die Wagner-opern sind von allen die am häufigsten aufgeführten, sie füllen dieHäuser und die Kassen, nnd das Entzücken und der Jubel ist allgemein.
Nnr eines läßt darauf schließen, daß nicht alles ganz inOrdnung ist. Wo wie in Karlsruhe ein so trefflicher InterpretWagners wie Felix Mottl den Dirigentenstab schwingt, da klagtman über eine gewisse Vernachlässigung der älteren „klassischen"Werke. In dieser Ausschließlichkeit, die teilweise auf den „Meister"selbst und sein eitles und unvornehmes Verhalten andern Meisterngegenüber zurückgeht, zeigt sich doch noch etwas wie Künstlichkeitund Gewaltsamkeit in diesem ganzen Wagnerkultus; und zugleichlegt sich der Gedanke nahe, ob nicht durch die überreichen Kunst-mittel Wagners unser Sinn für das Einfach-Schöne abgestumpftnnd unser Geschmack überreizt worden sei. In diesem Falle würdesich die Borliebe für ihn schwerlich auf ihrer jetzigen Höhe behauptenkönnen, wenn auch sicherlich, sei es nun alle oder einzelne seinergroßen Opern nicht aufhören werden die Welt zu entzücken. Einst-weilen ist Wagner der letzte große Mnsiker. Das wird man sagenkönnen, ohne Johannes Brahms Unrecht zu thun, dessen stillekeusche Art uud dessen herbe Männlichkeit nie eine Popularität inweiten Kreisen auskommen lassen wird und dessen künstlerischeEigenart und Selbständigkeit doch einigermaßen beeinträchtigt istdurch das epigonenhafte „Zusamenfassen aller Formen und Aus-drncksmittel der letzten Jahrhunderte".
Die Malerei.
Wagner hat das Revolutionäre seines eigenen Wesens auchin seine Kunst hineingetragen und sie machtvoll umgestaltet. Inanderen Künsteu tritt uns dieses Revolutionäre nicht weniger gewaltigund weil nicht ebenso stark mit Romantik verquickt und von ihr ver-deckt, fast noch energischer und reiner entgegen, nur daß die Wirkunghier extensiv und intensiv keine so große ist, weil sie nicht in demMaße wie die Musik die menschlichen Tiefen aufwühlen und denWurzeln der Leidenschaft und des Willens nicht so nahe liegen.