Druckschrift 
Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
Seite
641
Einzelbild herunterladen
 

Die Malerei.

641

dunkeln Schatten im Weltbild nicht hatte sehen wollen, so wolltejener von der Schönheit der Welt nichts mehr wissen und nialte sieausschließlich häßlich d. h. auch wieder unwahr, als Beweis fürseine These, nicht so wie sie ist. Allein trotz solcher Übertreibungund Einseitigkeit, bereichert hat er damit die Kunst doch, indem erihr zum Licht auch die Schatten gab und sie zwang, es mit demLeben ernst zu nehmen und alles nichthergerichtet" und künstlichzugestutzt, sondern in seiner wahren Gestalt und iu seinem wahrenMilieu zu zeigen.

Hier setzt auch die Betonung des Milieus ein. Das Freilichtlöst die Konturen und begrenzten Umrisse auf, und so galten diesebald für eiueu überwundenen Standpunkt. Die Figuren ver-schmolzen mit ihrem landschaftlichen Hintergrund, wurden ein Teildesselben und völlig abhäugig von dem sie umgebenden Licht- undLustmilieu. Infolgedieses Hcrabdrückens der Figur unter daslandschaftliche Milieu zogeu es", uach einer feinen Bemerkung vonNenmann,die Maler vor, den Menschen in seinen gebnndnerenDaseinsformen zum Gegenstand zu nehmen und bevorzugten dasvegetative Dasein des Menschen". Damit begegnet sich diese Milicn-malerei mit der socialistischen Richtung der Zeit, die ja auch denEinzelnen in seinem Milieu aufgehen läßt und die Klasse, diesociale Znständlichkeit znr Hauptsache macht. Darum griff jetztauch die Malerei mit Vorliebe nach socialen Stoffen und beteiligtesich in ihrer Weise an dem socialen Kampf, der die Welt bewegte.Erst galt es das Elend und die Not, also wiederum das häßlichedieser socialen Welt darzustellen, danu kam aber auch Kampf undSieg und Überwindung zu ihrem Recht. In diesem Sinn hatF. von Uhde das Jesusbild in socialistischem Sinne aufgefaßt undverwertet, weun er ihn als Gast in die Hütte der Armut tretenoder mit zerarbeiteten und stumpf gewordenen Fischern das Brotbrechen oder den social Mühseligen und Beladencn vom Berg herabdas Evangelium von der Befreiung aus aller ihrer Not predigeuläßt. Man kann gelegentlich tadeln, daß man zu wenig in denGestalten der Jüngerdas Licht seiner Lehre in der Finsternisder Roheit und Stumpfheit aufgehen" sieht und die vergeistigteJesusgestalt allzu unverstanden den rohen Fischern vom See Gene-

Zicgler, die geistigen u, socialen Strömungen des IS. Jahrh. 41