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Nach 1871: Z<? sidvls'
zareth gegenübersteht. NnS interessiert aber »och ein anderer Zugan diesen seinen religiösen Bildern: es ist der halb gespenstischehalb verklärte Jesus, den er malt. Darin zeigt sich neben demSocialistischen eiu specifisch Religiöses, seine Bilder bekommen dadurchein mystisches Element und werden so mit einem Schlag hinaus-gehoben über einen Platten Realismus und am Boden hinkriecheudenNaturalismus. Die Gestalt Jesu ist naturalistisch überhaupt nichtzu fassen: den Jesus der Geschichte keimen wir ja nicht, er ist, wieStrauß gesagt hat, ein Problem; und so muß der Maler daraufverzichten ihu zu malen wie er war, mnß etwas vom eigenen, frei-erfnudenen, christlichen Ideengehalt hinzufügen uud dem Jesns derGeschichte Züge vom Christus des Glaubens leihen; den Heiligenscheinbraucht er ihm darum doch uicht zu geben.
Dieses Mystische macht bei Uhde zuweilen den Eindruck desmillkürlich Hineingetragenen, die Jesusgestalt hat neben den kräftigenund ruhen Arbeitergesichtern etwas Dekadentes uud Morbides, moderneGegensätze stoßen hier hart zusammen. Mystik finden wir auchbei Arnold Böcklin , aber in wie anderer Art, in wie vollendeterGestalt! In diesem größten Maler unserer Tage, welche Fülleder Gesichte! ein Höchstes von Wahrheit und Leben! Hier habenwir jeneS sich Einsfühlen mit der Natur und ihrem Reichtumau inueren Kräften, worin die moderne Ästhetik das Geheimnisder Schönheit überhaupt entschleiert glaubt, und damit alletiefsten und verborgenstem Gedanken jenes Riesengeistes, der in ihrsteckt. Natnrmystik also ist es, Einfühlung in das Innere, indie Seele der Natur, Beseelung nnd Belebung derselben mit einerneuen der nnvergleichlichen Phantasie dieses Meisters entspringendenMythologie, eine gewaltige pantheistische Offenbarung vom Lebender Elemente uud all den Geistern, die sie beseelen; und zugleichin höchster Bollendung eine Bilder- und Farbcusprache für all denÜberschwang von Gefühlen lind Stimmungen, die uus nervöseMenschen des neunzehnten Jahrhunderts iu feinster Differenzierunguud Nuancierung bewegen und erfüllen. Aber was andere schmerz-bewegt nnd fehusuchtsvoll zu Boden drückt und melancholisch stimmt,weil sie dafür den künstlerischen Ausdruck nur schwer zu sindcuvermöge», das kommt bei diesem durch u»d durch gesunden Menschen