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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 1871: äs sidols

malt, versenken und versetzen kann. Auch seine Bilder sind Offen-barungen, Offenbarungen über Wesen, Charakter und Geist vonMenschenpersönlichkeiten, er ist ein großer Psychologe. Aber weilwir die bedeutendsten der von ihm gemalten Menschen selbst auchkennen, so sagt er uns weniger Neues als Böckliu, bestätigt nur,was wir auch ohue ihn schon wissen, und untersteht unserer Kon-trolle. Und dabei mutet uns seine Technik doch oft sremdartig,gewollt fremdartig an. Das soll nur erklären, warum uns Böcklin so viel näher nnd höher steht als er, nicht seine Kunst und seinKönnen herabsetzen.

Alle Kunst ist symbolisch, von den drei großen Malern,Feuerbach, Böckliu und Lenbach, ist Böcklin der größte Symboliker.Dem Naturalismus will das zunächst nicht einleuchten; sein Schlag-wort ist I'art xour 1'art, das schließt wie die Rücksicht auf dieMoral so auch alles Denten und Bedeuten aus. Und solangediese jnngen Künstler, deren Mittelpunkt München ist, noch jungsind und lernen, thun sie auch gut daran, sich auf das Sehen- undMaleulernen zu beschränken; darin liegt das Recht und liegt dasGesunde der ganzen Richtung. Wenn sich diese sezessionistische Jugenddabei etwas ungebärdig anstellt und denAlten" polemisch gegen-übertritt, so ist auch das nur das gute Recht der Jugend, dievon Böckliu wenigstens das lernen konnte, daß jeder Einzelneimmer ganz er selbst sein und als Naturalist den Mut habenmuß, sich auch ganz wahr, d. h. ganz so zu geben, wie er ist.Allein beim bloßen Abschreiben der Wirklichkeit kann die Kuustnicht stehen bleiben, nnd weil sich die Extreme berühren und derNaturalismus zunächst den Pilotyschen Historismus und die Kaul-bachsche Tendenzmalerei verdrängt, also das historisch Bedeutsameund das Tendentiöse sich sozusagen verbant hat, so wird er, sobalder über sich hinausstrebt, leicht phantastisch und allegorisch,dieSünde" undder Krieg" werden gemalt, und nicht immer ist esein Stuck, der sie malt, oft tritt an die Stelle echter Symbolik ein andas alte Allegorisieren erinnerndes Symbolisieren, das überall hinterHüllen und Masken Tieferes, Feineres, Intimeres vermuten läßtund immer ein anderes meint als es fagt.

Ein anderer Abweg nimmt seinen Ursprung in der Reizlosig-