Druckschrift 
Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
Seite
650
Einzelbild herunterladen
 
  

650 Nach 1871:Nn 6s sidele".

hältnis der Geschlechter zu einander; insbesondere das Weib kennt er,wie vor ihm nur noch Goethe es gekannt hat, und so hat LauraMarholm ihn mit Recht unter die Dichter gerechnet, durch die diemoderne Frau über sich selbst zum Bewußtsein gekommen sei.Dreierlei Typen sind es vor allem, die er schildert: das natnrloseWeib, das nur spielt uud mit allem spielt und hinter ihrerSchauspielermaske gar kein wahres Gesicht hat; die kluge, feiu-gebildete Frau, scheinbar kühl und vornehm ablehnend und dochanch sie rettungslos dem Schicksal des Weibes, der Liebe verfallend,volldurchseelter verinuerlichter Geschlechtlichkeit". Uud das sührtauf die dritte, die Hauptform seiner Fraueugestalteu: die Frau einsozusagen elementares oder, wie er es selbst einmal nennt, einwildwüchsiges Wesen, das unter einer sie beherrschenden Natur-gewalt steht und so von Geburt au eiuem Schicksal versallen ist,dem sie nicht entrinnen kann, das darum aber auch wieder inelementarer Weise als Naturkraft und Schicksal auf den willens-starken und seiner selbst bewußten Mann wirkt und wie ein Rätseldie Ergänzung bildet zu der spiegelblaukeu und leicht durchschaubarenSeele des Mannes. Vom Verhältnis zwischen Mann uud Frauhandeln alle fast alle seine Novellen und Romane, die Liebeist ihr einziger Gegenstand, aber nicht eintönig und einförmig stetsdasselbe, sondern in reichster Mannigfaltigkeit und Abwechslung,immer interessant, wenn auch gelegentlich die Probleme spitzfindigerwerden und wenn auch allmählich die Gestaltungskraft des Nlteru-deu erlahmt. Auch gewagt sind die Probleme und ihre Lösungenzuweileu,moralisch" sind seine Erzähluugeu uie, das lehnt erausdrücklich ab. Aber wenn er dabei auch einmal die Grenzliniedes Schönen nach dem Häßlichen hin überschreitet, gemein wird ernie, er ist ein vornehmer Dichter, er schreit nie, er ist ein stillerDichter; das unterscheidet ihn von dem Plebejertum unserer Jüngsten.Und dieses Vornehme und Aristokratische, dieses Selbständige undihrer selbst Mächtige haben auch seine Figuren, nicht als ein ihnenvon Außen her Angeflogenes uud künstlich Erworbeues, sondernals ein in ihrer Natur Liegendes. Darum verlegt er seine Er-zählungen sv gern nach Italien , weil dort die Menschen wie dieNntnr noch Stil haben; und darum ist die Liebe der Mittelpunkt,