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Nach 1871: „?iii cls sikels".
jene Freindeu waren kühne, immer am Rande des Möglichen sichbewegende Schriftsteller, die es jedem Nachahmer fast unmöglichmachten, diese schmale Grenzlinie einzuhalten: wer sich an Zola hielt,geriet fast notwendig ins photographisch Unkünstlerische, ins schlecht-hin Häßliche und Gemeine, und ebenso verführte Gny de Maupassantzu einer Sinnlichkeit, die ohne seine leichte Grazie einfach gemeinwurde; Dostojewskis und Ibsens Kunst der Seelenmalerei forderteeine Menscheukenutnis, wie sie den Jungen allen notwendig abging,und beide bewegten sich dem Krankhaften oft so nahe, daß dnrchsie ein Zug des Ungesundeu und geistig Gestörten in die deutscheLitteratur hereinkam, und dazu trug auch Tolstois urchristlicheWeltentfremdung und Strindbergs Selbstzersetzung das ihrige bei.Romantisches fehlte fast bei keinem ganz, und das Romantischeist — ein Krankes!
Alle die Züge nun, die diese Fremden einzeln an sich trugen,weist unsere heutige deutsche Litteratur auf. Auf die national-politische Ära war die socialistische gefolgt. Ihr entsprach ammeisten die Verwendung des Milieus, das nun eben mit Vorliebeals ein sociales geschildert wurde; auch dafür war Zola mit feinemgroßartigsten Werk, mit „Germinal ", wie neuestens wieder mit„Paris ", Mnster und Vorbild. Und zu diesem socialen Milieugehörte auch das sociale Elend und die Verdorbenheit der oberenZehntausend; jenes bringen'Hauptmanns „Weber", dieses Suder-mann iu „Sodoms Ende" zum Ausdruck. Das Drama trat dabeigeradezu in den Dienst der socialistischen Partei, und die so-genannten „freien Bühnen" erfreuten sich deshalb auch vielfach ihrerUnterstützung, Arbeiter jubelten diesen socialen Stücken zu.
Schien so die Litteratur mit dem Socialismus für absehbareZeit verbündet, so erfolgte — vor allein unter dem rasch wachsendenEinfluß Ibsens — plötzlich der Umschlag ins Individualistische. Auchdas entsprach ja einer allgemein modernen Nichtnng: zu Ibsen ge-sellte sich Nietzsche , der Socialismus wurde zwar uicht prinzipiell auf-gegeben nnd verlassen, aber Ibsen war interessanter und Nietzsche moderner. Uud so kamen wieder Dramen uud Romane, in denenEinzelne im Vordergrund standen, Herrennaturen, Übermenschen,die sich siegreich durchsetzen oder tragisch zu Gründe gehen. Und nun