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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Sudermann .

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inachen. Aber dennoch blieb dem Stück der Erfolg auf der Bühneversagt: die Luft war doch gar zu schwül, an naturalistischerHäßlichkeit ist hier des Guten zu viel gethan. Und diese Schil-derung eines solchen sittenlosen Milieus sollen wir uns gefallenlassen mn eines Willy Janikow willen, der kein Held, sondernwirklich nur ein Lump ist, kein Genie und Herrenmensch jenseitsvon Gnt uud Böse, sondern ein ganz uninteressanter Schwächlingund Genießling, der mitten im Bösen steht.

Ein Milieustück mit socialem Untergrund ist auchdie Schmetter-lingsschlacht", eine Komödie, aber wiederum mit soviel Häßlichkeit,daß sie nicht lustig ist und nicht lustig macht. Das ist überhauptdie schwache Seite unserer naturalistischen Dichter, sie können nichtlustig sein und lachen; wie können sie also Lustspiele schreiben?Darin liegt eiu greisenhaster Zug, der dieser modernen Jugendanhaftet. Ob es rudimentär ist als Nachwirkung der pessimistischenÄra nnd dann zu überwinden, oder konstitutiv uud dann dasAnzeichen einer geistigen Götterdämmerung, wer mag es wissen?Unseren Maleru fehlt es nicht daran, das läßt auch für die PoesieBesseres hoffeu.

Hätten wir nur diese vier Stücke von Sudermann , so würdenwir uns aus seinem dramatischen Talent nicht allzuviel macheu:geschickte Mache, mehr kaum. Doch da kommt mit demGlück imWinkel" der große Umschwung, der freilich mit Willy inSodomsEnde" uud mit Magda in derHeimat" schon angebahnt war. Nichtsmehr von Thesen und Milieu, sondern Menschen und Menschen-schicksal das ist hinfort alles. Die Menschen der ersten Stückehaben etwas Schemenhaftes uud Konventionelles, sind sast durchweguninteressant und bedeuten etwas nur als Vertreter ihrer Theseoder als Staffage im Milieu. Jetzt erinnert sich Sudermann wiemit einem Schlag dessen, was er in seineu Romanen geübt undgekonnt hat uud stellt Menschen vor uns hin, Einzelne, runde,ganze, echte Menscheu: vor allem Röcknitz , den vstpreußischeu Junkerin der Art Leo von Sellenthins, den er so gut kenut, mehr DonJnan als Übermensch, derb und brutal, mit einer ganz nieder-trächtigen Sorte von Blut; aber doch nicht ganz unsympathisch,eine Siegernatur, eiu Kraftmensch, nicht ganz ohne Herz und ohne