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Nach 1871: „?in äs sieols".
die Prosa für diese naturalistischen Stücke unerläßlich. Damitbricht Hauptmann in der versunkenen Glocke und überschreitet soauch schon in der Form den naturalistischen Nahmen; wenn erihm aber dann durch den Dialekt der alteu Hexe doch Miederseinen Tribut entrichtet, trotzdem aber auch sie iu Verseu spreche»läßt, so kam? ich darin doch nicht „einen großen dichterischen Ge-danken" sehen, sondern mir das Zeichen einer Zwiespältigkeit,wie sie für unsere Übergangs- und Werdezeit charakteristisch ist.Naturalismus, Symbolismus, Mysticismus — sie liegen in diesemAugenblick so nahe beisammen, daß man nicht weiß, was werdenwird und wohiu die Wege gehen; und ebenso bekämpfen sichSocialismus und Individualismus, dafür ist der Titel des Holz-scheu Stückes „Socialaristokraten" und die Art, wie iu ihuenNietzsche berlinisiert wird, bezeichnend. Aber daß wie Sudermannin seinem Johannes, so Hauptmann in der versunkenen Glocke einHöchstes gewollt und erstrebt hat, das entschädigt auch für dasMißlingen eines solchen ersten großen Wurfes; uud zukunfts-reich ist Hauptmann gewiß, hier regt sich wirklich ein NeueS.Noch unklar, daS heißt, eS gärt uoch, noch sind wir nichtdurch.
Wie weit dieser Mysticismus sich auch noch religiös färbenwird, läßt sich nicht bestimmen. Die Strindbcrg und Arne Gar-borg sahrcn ja mit vollen ^Segeln in dieses kirchlich religiöse undreaktionäre Fahrwasser ein, und eiue Wendung zum Religiösen istauch bei uns im Anzug. Nicht nur der Katholizismus saßt alleseine äußeren und inneren Kräfte zusammen, auch der Protestantismus ist iu Abwehr nnd Positivem Sichselbsterfassen in sichtbarem Auf-schwung; manche müde Seelen kokettieren sogar, von Schopenhaueruud Nietzsche dazu augeregt, mit, dem Buddhismus . Allein zunächstläßt sich schon das nicht bestimmen, wie weit bei uns diese religiöseWeuduug innerlich begründet nnd notwendig ist. Da man wie nnterWilhelm I. so auch jetzt wieder von oben herab die Kirchlichkeitbegünstigt, so macht sich soviel Streberei und Heuchelwesen dabeibreit, daß schwer zu sageu ist, was daran Echtes und Bleibendesist; die Hofprediger sind der Fluch der christlichen Kirche. Uuddie poetische Mystik hat bei uns vorläufig noch keine specifisch