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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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Absichten und Verwahrungen. 7

Plätzchen in der Tabelle begnügen muß, ohne eigens besprochen zuwerden; so bleibt es doch nicht ganz unerwähnt. Anderseits ge-hörte nicht jedes für die Entwickelung des Einzelnen wichtige Buchin die allgemeine Uebersicht.

Wollen wir aber in dieser Weise die Geschichte der deutschenLitteratur im 19. Jahrhundert als ein Ganzes, als einen lebendigenFluß darstellen, so wird sich öfters die hergebrachte Stellungeinzelner Dichter verschieben müssen. Wir können nur nach bestemGewissen urteilen und müssen uns Goethes Verwahrung zu eigenmachen:ausrichtig zu sein, kann ich versprechen, unparteiisch zusein aber nicht". Wir versuchen auch dies; wo wir Fehlerquellenunseres Urteils kennen, suchen wir sie zu kontrollieren. Aber nie-inaud kennt selbst all die Dinge, die auf sein Urteil einwirken.Wir brauchen aber auch uicht gerade immer im Unrecht zu sein,wo unser Spruch anders klingt als der anderer Nichter. ZweiGruppen werden wir es gewiß nicht zu Dank machen können: jenenunbedingten Verehrern einzelner Meister (und zuweilen auch einzelnerGesellen, die durchaus keine Meister sind), die etwa jeden Versuch, überdie Nomantiker, über Robert Hamerling und Richard Wagner objektivzu urteilen, von vornherein für Hochverrat halten; und jenen be-geisterten Priestern landschaftlicher Götterkulte, die nur zu gernübersehen, daß nicht jeder in schwäbischen, österreichischen, nieder-deutscheu Litteraturgeschichten mit Recht gefeierte Name in eine all-gemeine Darstellung der deutschen Litteratur gehört. Das Gleichegilt für Schriftsteller, deren Wirkung auf einen engeren, konfessionelloder politisch abgegrenzten Kreis beschränkt blieb. Natürlich wares unsere Pflicht, jedesmal zu prüfen, ob diese Begrenzung desWirkungskreises nicht vielleicht uuverdient war; uud gerade gewisseverkannte Größen" haben wir uns bemüht, an ihre gebührendeStelle zu bringen, aus die Gefahr hin, Paradox zu heißen, wo wirnur gerecht sein wollen.

Wir hätten gern noch mehr Personen vorgeführt, mehr Werkebesprochen; aber der Raum hat auch seine Rechte. Die beliebtenMassengräber voll toter Autorennamen oder Büchertitel (spannendeRomane voll tiefster Kenntnis des Menschenherzens schrieben ferner"folgen zwanzig Namen) scheinen uns 5ür die Erkenntnis unfrucht-bar;die Geschichte", sagt Droysen tiefsinnig,hat nur mit demzu thun was lebendig ist." Freilich kann auch mancherlebendige"Name verloren gegangen sein. Nur werfe man uns dann nicht gleich