Jean Paul und die Romantik. 11
Gefährlich wirkte Jean Paul auch durch das absichtsvolleHervorkehren der Persönlichkeit. Das Kokettieren mit dem edlenLeser und der schönen Leserin, das Buhlen um die gerührte Thränestand zu der stolzen Selbstbeherrschung der Klassiker in schneidendemGegensatz. Aber es gefiel darum nur um so mehr. Und dieGefahren, die in diesem Wesen lagen, wurden dadurch verstärkt,daß die Romantiker noch entschiedener, noch persönlicher ihre Sub-jektivität hervordrängten.
Jean Paul und die Nomantik haben segensreiche Keime inFülle ausgestreut. Aber wenn lange lange Zeit unter unserenhervorragendsten Autoren so merkwürdig wenige von einem Beisatzvon Dilettantismus ganz frei blieben, so ist auch das diesen beidenMächten mit auf das Konto zu schreiben.
Was ist und was will die „Romantik"?
Wir haben zwei Gruppen sorgfältig auseiuanderzuhalten.Die ältere, die eigentliche „Romantische Schule", bildet wirklich einenVerein, eine Kunstgesellschaft mit bestimmten Dogmen und Tendenzen,mit einer Art Geheimsprache, in der Worte wie „Ironie", „Teufelei",„Religion" einen ganz neuen Sinn erhalten. Die jüngere ist einlocker gefügter Sternhaufen, in dem wohl das Freundespaar Arnimund Brentano mit Bettinen, Brentanos Schwester und ArminsGattin, den festen Kern bildet, bei dem aber eine durchgehendeGemeinsamkeit der Kunstansichten nicht einmal zwischen diesendrei Persönlichkeiten besteht. Die Verdienste der älteren Gruppeliegen wesentlich auf dem Gebiet der Kritik und der spekulativenKuustlehre, die der jüngeren mehr auf dem Boden einer anregendenund begeisternden Kunst- und Sammlerthätigkeit. Die größtenKünstler stehen aber in beiden Gruppen zu den eigentlichen Schul-häuptern in loserer Beziehung. Heinrich von Kleist und E. Th. A.Hoffmann und Eichendorsf überragen Arnim und Brentano durchdie Dauerkraft ihrer Werke ebenso sehr wie Novalis die BrüderSchlegel und Tieck .
Die jüngere Gruppe verhält sich zu der älteren keineswegseinfach wie die Schüler zu den Lehrern. Wohl schwärmt Nahelfür Novalis, wohl ist Hoffmann stark von Tieck abhängig, und wohlhat besonders auch die Stofswahl der Künstlerromane Tiecks aufKleist und Fouqus gewirkt; aber Brentano macht sich gern überFr. Schlegel lustig, und A. W. Schlegel greift die Brüder Grimm hochmütig an. Gemein ist beiden Gruppen der Romantik vor allem