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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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1800-1810,

Realisten wie die Brüder Goncourt und Zola unsern Romantikernmerkwürdig nahe.

So offenbart sich Tieck in seiner reifsten Epoche. Damalswuchs die glücklich gefundene Kunstform; es gelangen ihm großeWerke:Vittoria Accorombona " (1840) und der unvollendeteAuf-ruhr in den Cevennen" (1826); es gelangen ihm kleine Meister-stücke wie dieGemälde" oder geistreiche symbolische Erzählungenwie dieReisenden" und derWassermensch". Er lernte seineSubjektivität zügeln; nnd sein größtes Talent, bestimmte pathologischeGemütsstimmnngen zu schildern, vereinigte sich mit seiner großenBelesenheit, um etwa von der Ekstase des religiösen Prophetenin der Zeit Ludwigs XIV. , von dem Virtuosentum des Verbrechensin dem verwilderten Italien des 16. Jahrhunderts glänzende Bilderzu geben. Zu Anfang unseres Jahrhunderts aber war er nochganz der in romantischen Stimmungen schwelgende Bewundereraltdeutscher Kunst, der Waldeinsamkeit und Märchenzauber alswirksamste Faktoren einer weltfremden poetischen Ahnung aufsuchte.

Zu Tieck und den Schlegels trat in jenen bedeutungsvollenMaitagen noch Friedrich Schleiermacher (17681834), dergroße Prediger, dem wir die eigentliche Wiederbelebung der münd-lichen Beredsamkeit in Deutschland danken mochten auch Herderund Fichte ihm vorgearbeitet haben; seit 1799 kam Novalis dazu.Ohne derLitteratur " im engeren Sinne anzugehören, bilden nochA. W. Schlegels geistreiche und ticffühlende Gattin Karoline (17631809), Friedrichs Gemahlin Dorothea Veit (17631839,,die Tochter Moses Mendelssohns , sowie die NaturphilosophenSchelling und Steffens Glieder des Kreises. Karolinens wunder-volle Briefe besitzen noch heut eine lebendige Kraft, die die Dich-tungen der beiden Schlegel oder gar etwa Steffens' Novellen niebesessen haben.

Erst Friedrich v. Hardenberg (17721301), berühmtunter seinem Dichternamen Novalis , erfüllte, was die Nomantikhoffte. Sein Leben war ein schönes, aber kurzes Gedicht, ganzerfüllt von einer treuen Liebe; eine Märchenerscheinung schiender schöne Jüngling mit den großen blauen Augen, mit den langen,weichen Locken selbst.

Novalis ist Mystiker, aber der verstandesklarste, hellste allerMystiker. Für die geheimnisvolle Bewegung der Gedanken inunserm Hanpt sucht er Gesetze, und es ist ihm ein liebes Spiel,