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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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16 1800-1810.

Würdigt worden wie etwa nur noch von Schiller und von Wilhelmvon Humboldt; für Novalis ist er derStatthalter des poetischenGeistes auf Erden". Schelling geHort zu den ersten, die denFaust "in seiner ganzen Bedeutung erkannten. Gegen Schiller dagegensind vor allen Friedrich, Karoline, Schleiermacher früh feindlich;August Wilhelm und Novalis , die ihm viel verdanken, leisten keinenWiderstand.

Wie Goethe und Schiller haben die älteren Romantiker ihrenKunstkatechismus, dessen Aussprüche sich teils in den berühmtenFragmeuten" undIdeen" des von den Schlegel herausgegebenenAthenäums" (17981800), teils in Rezensionen, Briefen undandern Äußerungen verstreut finden. Dies etwa ist das Wesent-lichste. Zwischen Künstlern und Nichtkünstlern klafft eine tiefe Kluft.Wer aber ist ein Künstler? Wer sein Centrum in sich selbsthat: wer alle äußeren Eindrücke in sich zn einem lebendigen Ganzenzusammenzubilden weiß. In diesem Sinne sich die ganze Welt an-zueignen, ist die Aufgabe der neuen, der romantischen Poesie.

Die große Bedeutung dieser Lehre liegt in der Energie, mitder sie die Intensität des inneren Erlebnisses znm Kennzeichen deswahren Künstlers macht. Nebensache bleibt und das ist dieverhängnisvolle Kehrseite wie der Dichter das innere Erlebniszum Kunstwerk formt.

Das sind die Männer, die der Litteratur um 1800 das Ge-präge aufdrücken. Der Litteratur wenigstens, so weit sie sich an diegeistig regsten und anspruchsvollsten Kreise wandte. Denn dichtneben den Bewunderern Jean Pauls , ja vielfach mit ihnen identischfolgt die noch viel breitere Schicht der Verehrer unserer schlimmstenMassenfabrikanten. Auf der Bühne fandenTasso" undTell"kaum Platz, so stark war sie durch den philiströs-moralischen Jfflandund den platt-unmoralischen Kotzcbne in Anspruch geuommen.Für die Romanleser begann gerade 1800 Clauren seine süßlich-lüsternen Erzählungen aus dem Ärmel zu schütteln, währendAugust Lafontaine (der sich zu Clauren etwa verhielt wie Jfflandzn Kotzebue ) schon 1791 angefangen hatte, größere Romane zumhöchsten Entzücken aller gefühlvollen Herzen bis hinauf zum ThronFriedrich Wilhelms III. und der Königin Luise zu verfassen. Un-zweiselhaft hat jeder von diesen vier Männern ein größeres Publi-kum gehabt, als Goethe, Schiller und Lessing damals zusammenbesaßen.