Roiimntik und VolkStum,
31
Claus Harms (1778—1855), den Neubeleber der volkstümlichenPredigt. Der Ditmarsche hatte sich aus Knechtsdiensten aufgear-beitet wie sein Landsmann Hebbel; sast zwanzig Jahre war er, alser endlich auf die ersehnte Lateinschule kam. Das Jahr 1814, in demZacharias Werner Priester ward, brachte ihm den „Durchbruch derGnade". Der Rationalist ward streng orthodoxer Lutheraner und ver-öffentlichte 1817'als neuer Luther 95 kriegerische Thesen. Nach langereifriger Wirksamkeit starb er in der Heimat, die er kaum je verlassen.Sein Ziel war, die Predigt durch den Volksgeist zu erneuern; ein-fältig soll der Redner Gottes sprechen, dabei lebhaft, von Seele zuSeele; er wendet deshalb auch gern Dialoge an. „Vor allem keineBüchersprache!" ruft er aus und ist mit seiner sorgfältig gepflegtenVolkspredigt wirklich einer der ersten gewesen, die der Eigenart dermündlichen Rede gerecht wurden.
Clemens Brentano (1778—1842) und Achim v. Arnim(1781—1831) haben, wie A. W. Schlegel, durch geniale Aneignungmehr geleistet als durch eigene Produktion. „Des KnabenWunderhorn " (1806), die herrliche Sammlung von Volks- undvolkstümlichen Liedern, bleibt ihr größter Ruhmestitel. WelcheFülle poetischen Stoffs haben sie wieder in Bewegung gesetzt! Einganzes Meer von Dichtung hat der Heidelberger Kreis — zu dembesonders noch Görres gehörte und in weiterem Sinne die BrüderGrimm , Uhland, Kerner — durch seine Pflege älterer Poesiewieder entdeckt, und wie kühn und froh fuhren da die erstenSchiffer hinaus auf dies Meer! — In seiner eigenen Dichtungaber erscheint Brentano fast wie ein Spanier aus dem Zeitalter derGegenreformation; zu wunderlich mischen sich heiße Sinnlichkeit undkaltes Spiel, süße Klänge und gesuchter Witz. Fast wie ein schönerZufall steht in dem bizarren, von stark duftenden Blumen gefülltenTreibhaus seiner Schriften die rührend einfache, in schlichter Umriß-manier durchgeführte Geschichte „vom braven Kasperl und demschönen Annerl". — Und Arnim blieb nur zu lauge in jenerromantischen Willkürlehre befangen, die ihn einmal den ungeheuer-lichen Satz aufstellen ließ: „Es giebt keine Poesie, die man nicht,ebenso wie die Maler ihre Gruppen, uach der Beleuchtung desOrtes verändern könnte, ohne in die Bedeutung des ganzen Bildeseinzugreisen". Aber allmählich erzog er sich doch an den Erzählungendes - 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts zn einem ernsteren,strengeren Stil. Nun gelingen ihm seine besten Novellen und auch