1800-1810,
seine größte Schöpfung: „Die Kronenwächter ". Auch dieser großgedachte historische Roman blieb Fragment wie so viele Werke derromantischen Schule; nur den ersten Teil hat Arnim (1817) veröffent-licht. Er ist ganz erfüllt von kräftiger Anschauung. Die Reichs-städte des untergehenden Mittelalters, das idyllische Waiblingen unddas stolze Augsburg , wachsen vor unseren Angen aus demBoden, und originelle Gestalten bewegen sich darin, „jederEinzelne eine eigene Welt". Mit paradoxer Kühnheit tritt Arnimhier allen konventionellen Typen entgegen. Er schildert eine Äbtissinnicht als die blasse ideale Klosterfrau der Tieck und Fouque —ihm ist sie „eine alte, sehr lebendige Jungfrau, von gar unermüd-licher Thätigkeit". Und gar der vielbeschrieene Erzzauberer Dr. Faust,der sprichwörtliche Grübler, wird hier in den wunderthätigen Char-latan rückverwandelt „mit dem feuerroten, dicken Gesicht, mit weiß-blondem Haar und kahler Platte, in roten Pluderhosen und schwarzemWams, mit zehn Ehrenketten darauf. Auch einen prachtvollentürkischen Dolch trug der feurige Drache und um seine Hüften einenKranz von Amuletten," Die ganze Entwickelung von KlopstocksArminius zu dem Grabbes, von der blassen Gedankendichtung zumkräftigen Realismus liegt in dieser Figur vorgezeichnet.
Jacob nnd Wilhelm Grimm (1785—1863 und 1786—1859),die Begründer der deutschen Philologie, haben in der Fortbildungvon unbestimmt schwärmerischen Vorstellungen zu klarer Anschauungnoch Größeres errungen. Ihnen danken wir, daß an Stelle aben-teuerlich-romantischer Phantasien endlich ein lebensvolles und inden Grundzügen mindestens zuverlässiges Bild der deutschen Vor-zeit, der deutschen Volksseele, der deutschen Gesamtentwickelung trat.
Für die deutsche Litteratur haben die beiden herrlichen Brüderzunächst als Stilisten Bedeutung. I. Grimm ist wohl der größteMeister wissenschaftlicher Darstellung, den wir besitzen. Poesiedurchdringt jede seiner Forschungen, nicht als äußerliche Zuthat,sondern als nachlassendes Mitfühlen. Gleichnisse von anschau-lichster Wirkung fließen ihm ungewollt in Fülle zu; ans kleinenFingerzeigen erwachsen seiner Phantasie bedeutsame Zusammenhänge.So recht aus der Seele des germanischen Volkes heraus sucht erseine Sprache, sein Recht, seinen Glauben zu erfassen. Litterar -historische Arbeit hat er weniger gepflegt, doch auch hier vor allemin der berühmten Denkrede auf Schiller (1859) seine Kunst genialerReproduktion bewiesen. Seine akademischen Reden, vorab die auf